Soloalbum spürt dem Sound von Esbjörn Svensson nach
Diese Veröffentlichung ist nicht nur in der Jazzwelt eine Sensation: Das Album „HOME.S.“versammelt neun unveröffentlichte Solostücke des Jazz-Pianisten Esbjörn Svensson. Sie zu hören ist fast zu schön, um wahr zu sein. Vor 14 Jahren starb der schwedische Musiker bei einem Tauchunfall. Er war gerade 44 Jahre alt und hatte mit seinem Esbjörn Svensson Trio (E.S.T.) den europäischen Jazz erneuert, angeschlossen an Pop-, Rock- und elektronische Musik. Natürlich kam sein Tod viel zu früh.
Es kommt einem Wunder gleich, dass das Label Act im Jahr des 30-jährigen Bestehens diese Aufnahmen veröffentlichen kann. Witwe Eva Svensson fand sie auf einer Festplatte im Kellerstudio ihres verstorbenen Mannes und klärte mit dem Toningenieur Ake Linton, ob sie auch dort eingespielt wurden oder in einem Tonstudio. Am Ende waren sie sich sicher: Die Dateien im Ordner „Solo“sind Eigenproduktionen. Natürlich wird man nicht herausfinden können, was Esbjörn Svensson mit ihnen vorhatte: Waren sie für ein Soloalbum bestimmt? Vorarbeiten für neue Trio-Stücke? Oder exzellente Fingerübungen?
Für Letzteres wirken sie definitiv zu schillernd und komplex ausgearbeitet. Auch eine Begleitung von Bass und Schlagzeug ist schwer vorstellbar, das Klavier besetzt eigentlich alle Räume.
Der nachträgliche Titel „HOME.S“, den das posthume Werk bekommen hat, ist klug gewählt, weil er auf den speziellen, etwas trocken klingenden, intimen Charakter der Heimaufnahme verweist, die Initialen des Künstlers trägt und auch „Zuhause“im Plural bedeutet. Man kann hören, wo Esbjörn Svensson sich zu Hause gefühlt hat. Das ist zuallererst ganz offenbar: die Musik von Keith Jarrett. Das Stück „Eta“(alle sind nach Buchstaben des griechischen Alphabets benannt) und vorher auch „Alpha“und „Gamma“klingen wie Hommagen an Solowerke, die der amerikanische Kollege in den 70ern geschaffen hat – auf seinem ersten Soloalbum „Facing You“oder mit dem legendären „Köln Concert“.
In anderen Stücken schlägt Svenssons Begeisterung für Bach oder Beethoven durch, oder den großen Jazzklavier-Melancholiker Bill Evans. Dieses Album ist wirklich ein Glück: Man kann dem weit entrückt geglaubten Musiker noch einmal näher kommen als je zuvor.