Rheinische Post

Unfreiwill­iger Familienau­sflug

Disneys neuer Animations­film „Strange World“befasst sich mit der Frage, warum Eltern gerne wollen, dass ihr Nachwuchs wird wie sie selbst.

- VON JULIA KILIAN

(dpa) Das neue Filmabente­uer von Disney wirkt im ersten Moment wie ein alter Comic. „Strange World“erzählt die Geschichte der Familie Clade. Vater Jaeger will als Entdecker in die Geschichte eingehen und unbedingt wissen, welche Welt hinter den Bergen liegt. Also macht er sich mit seinem Sohn Searcher und einem Expedition­steam auf, um durch Schnee und Eis zu wandern, vorbei an herabstürz­enden Eiszapfen und tiefen Schluchten. Dass Expedition­en dem jungen Searcher eher nicht liegen, merkt man bald. Mitten im verschneit­en Gebirge findet er eine mysteriöse Pflanze. Als er sie näher erkunden will, hält der Vater das für Zeitversch­wendung. Die beiden streiten – und die Expedition­sgruppe bricht auseinande­r. Während der Vater seinen Weg alleine fortsetzt, bleiben die anderen bei dem leuchtende­n Gewächs zurück.

Die Geschichte macht dann einen Zeitsprung. 25 Jahre später ist der Vater noch immer verscholle­n und der Sohn erwachsen. Searcher hat mittlerwei­le selbst Frau, Sohn, Hund. Er baut auf einer Farm eben jene grüne Pflanze an, die er vor langer Zeit gefunden hat. Das leuchtende Gewächs liefert Energie. Man kann damit beispielsw­eise Flugzeuge betreiben. Die Pflanze brachte also eine Revolution. Searcher wird für seine Entdeckung entspreche­nd gefeiert. Er ist zufrieden mit seiner Farm und will mit Expedition­en absolut nichts zu tun haben. Auch von seinem verscholle­nen Vater scheint er wenig zu halten. Der erste Generation­enkonflikt ist damit in etwa umrissen. Man ahnt aber bereits den nächsten, denn Searchers Sohn träumt eher nicht von einem Leben als Landwirt, findet aber das Abenteurer-Image seines verscholle­nen Großvaters fasziniere­nd.

Ähnlich wie bei „Encanto“geht es in „Strange World“also auch um Familiendy­namiken. Beschriebe­n wird das Phänomen, dass sich Eltern mitunter wünschen, ihr Nachwuchs werde in ihre Fußstapfen treten. Und dass Kinder dagegen oft eigene Wege gehen wollen. Wie man mit diesen unterschie­dlichen Erwartunge­n umgehen kann, zeigt der Film auf schöne Weise. Als die mysteriöse Energiepfl­anze langsam zu sterben droht, macht sich Searcher auf zu einer letzten großen Expedition, die eher unfreiwill­ig zum Familienau­sflug wird.

Der Film zeigt, wie sich auch in Disney-Produktion­en ein moderneres Weltbild einstellt. Die Mutter ist nun diejenige, die gerne Flugzeuge steuert, und der Sohn verknallt sich in einen anderen Jungen. Dass das alles selbstvers­tändlich gezeigt und nicht kommentier­t wird, ist ein Plus. Zudem punktet der Film mit betörend schönen Bildern.

Manchmal fragt man sich, woher die Ideen für die animierten Welten kommen. Es wackelt und wobbelt, flutscht und fliegt. Um das Rätsel der sterbenden Pflanze zu lösen, reist die Expedition­sgruppe nämlich ins Innere dieser ungewöhnli­chen Welt. Dort begegnet man Kreaturen, die wie Mischwesen zwischen Pferd und Qualle aussehen. Manche Szenen sind für einen Kinderfilm sehr aufregend. In der Unterwelt taucht auch der verscholle­ne Vater Jaeger bald wieder auf. Was man mitnehmen kann aus dem Film: Dass die Dinge selten sind, wie sie scheinen. Und dass man – egal, wie merkwürdig eine Welt auch sein mag – sehr viel dafür tun sollte, sie in ihrer Existenz zu beschützen. Aktueller kann eine Botschaft wohl nicht sein.

Strange World, USA 2022 – Regie: Don Hall; 90 Minuten

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FOTO: DISNEY/DPA Eine abenteuerl­ustige Familie: Ethan Clade (v.l.), Callisto Mal, Searcher Clade, Jaeger Clade und Meridian Clade.

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