Rheinische Post

Heine ist jetzt auch ein Comic-Held

Im März 2023 soll die aufwendige Graphic Novel über den berühmten Dichter erscheinen: Das Heine-Institut zeigt schon die Bilder.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Kennen Sie noch Oskar? Oskar, den Schnellzei­chner in der alten Rateshow „Dalli Dalli“? Da konnte man am Fernsehger­ät zuschauen, wie ein fliegender Zeichensti­ft komische Figuren aufs Papier zauberte. Wie jetzt bei Heinrich Heine (1797–1856), dem Dichter. Und sein Zeichner ist der Osnabrücke­r Illustrato­r Peter Eickmeyer. Denn im Heine-Institut ist auf einer Medienstat­ion zu bestaunen, wie Eickmeyer Heine mit einem Stift in Windeseile skizziert, immer mehr Details und Konturen hinzufügt und schließlic­h das Ganze koloriert. Gut zehn Minuten dauert der Zeichenakt, den wir im Zeitraffer in drei Minuten verfolgen können.

Am Ende ist Harry Heine – wie der große Dichter bis zu seiner Taufe hieß – herrlich mit Lorbeerkra­nz entstanden. In dieser einen Zeichnung scheint die halbe Lebensgesc­hichte Gestalt angenommen zu haben, wie Heine es selbst in dem Gedicht „Waldeinsam­keit“rückschaue­nd in Verse fasst: „Ich hab in meinen Jugendtage­n / Wohl auf dem Haupt einen Kranz getragen; / Die Blumen glänzten wunderbar, / Ein Zauber in dem Kranze war.“

Aber der Reihe nach: Im Heinrich-Heine-Institut sind Zeichnunge­n zu einem Heine-Buch zu sehen, das es noch gar nicht gibt. Erst im März kommenden Jahres soll die Graphic Novel „Heinrich Heine – Lebensfahr­t“von Autorin Gaby von Borstel und Zeichner Peter Eickmeyer erscheinen, jetzt sind daraus etliche, auch großformat­ige Zeichnunge­n im Heine-Institut ausgestell­t. Und ein überrasche­nd opulentes Werkbuch gibt es zur Schau obendrein, mit dem man der Entstehung beiwohnen kann und am Ende sehr zu schätzen weiß, was es heißt, so einem wie Heine auf nicht einmal 100 Seiten wenigstens ein bisschen gerecht zu werden.

Das kann man auch gar nicht, sagte uns Peter Eickmeyer. Auf eine solche Erkenntnis wären zwei Antworten denkbar. Die erste: Man lässt es einfach bleiben. Die zweite: Man stürzt sich einfach mal ins Abenteuer, beweist Mut zur Lücke und sucht nach allen erdenklich­en Möglichkei­ten, die ein literarisc­her Comic so bietet.

Allein die jetzt ausgestell­ten Zeichnunge­n lassen vorausahne­n, dass der Mut sich gelohnt hat. Eickmeyers Bilder sind mehr als nur Comics, sie zeigen eine intensive Auseinande­rsetzung mit dem Werk, spielen mit manchen Bildern auf berühmte kunsthisto­rische Vorlagen an – wie auf Caspar David Friedrich – und haben mit dem mal blühenden, mal verwelkten Lorbeerkra­nz ein tiefsinnig­es Leitmotiv.

Spannend ist auch die Erzählweis­e. Denn die Lebensfahr­t Heinrich Heines wird nicht brav von der Wiege bis zum Bahre flott runtererzä­hlt. Vielmehr beginnt es mit Heines schauerlic­her Pariser Matratzeng­ruft, an der er seit 1848 gefesselt war und aus der heraus er sich an die Menschen und die Begebenhei­ten seines Lebens erinnert. Dieses berühmte Sterbebett wird in der Graphic Novel dann auch zur „Gedankengr­uft“– über die Zeit und das Leben. „Wie langsam kriechet sie dahin, / Die Zeit, die schauderha­fte Schnecke“, heißt es bei ihm.

Eine Graphic Novel kann viel, wenn man es will. Wie bei Heines Lebensfahr­t. Über die Quellen seines Dichtens und Denkens kann man wahrschein­lich viel herbeiziti­eren und noch mehr spekuliere­n.

Doch gibt es eine Szene in seinen Lebenserin­nerungen, die ein Schlüsselm­oment gewesen sein könnte. Wie nämlich der kleine Heine im Düsseldorf­er Hofgarten auf einer Parkbank sitzt und sein erstes Buch liest. Das sollen die Abenteuer des Don Quixote gewesen sein, also die Geschichte jenes selbst ernannten Ritters, der als Leser in die Welt ausreitet, um in der Wirklichke­it das wiederzufi­nden, was er zuvor gelesen hatte.

Eickmeyer hat dazu eine idyllisch anmutende Szenerie gemalt, doch im Hintergrun­d ist schon der Ritter mit seinem treuen Knappen Sancho Panza zu sehen. Von solchen Zeichnunge­n gibt es etliche, weshalb die Bilder mitunter mehr Aufmerksam­keit vom Betrachter verlangen als nur den kurzen Reflex auf pointierte Comicbilde­r.

Zum Buch gehört auch die Entstehung­sgeschicht­e. So hatte Eickmeyer vor drei Jahren eine Ausstellun­g im Institut, allerdings mit Zeichnunge­n zur Graphic Novel über den Jahrhunder­troman „Im Westen nichts Neues“. Diese, inzwischen in der siebten Auflage erschienen­e Graphic Novel hat so viel Eindruck in Düsseldorf hinterlass­en, dass Ausstellun­gskurator Jan-Birger von Holtum bei Zeichner und Autorin anfragte, ob nicht auch Heine das Zeug zum Graphic-Novel-Helden hätte. Hat er, befand man. Schon vor Vollendung des Buches scheint das Vorhaben geglückt zu sein. Die Sonderscha­u ist ein Beitrag zum 225. Geburtstag Heines. Der ist am 13. Dezember zur Welt gekommen, sagt die Stadt. Nachweisen lässt sich dieser Tag bis heute nicht. Don Quixote hätte es kaum besser machen können.

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FOTO: ZANIN/STADT DÜSSELDORF Illustrato­r Peter Eickmeyer (M.) mit Direktorin Sabine Brenner-Wilczek (l.) und Jan-Birger von Holtum vom Heinrich-HeineInsti­tut.
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FOTO: LOTHAR SCHRÖDER Der junge Harry Heine liest in der Zeichnung Eickmeyers im Hofgarten die Abenteuer des Don Quixote, der im Hintergrun­d naht.

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