Rheinische Post

Die Zinsen sind wieder da

Die Zeiten am Finanzmark­t ändern sich. Und Anleihen sind wieder attraktiv.

- Unser Autor leitet die Vermögensa­bteilung von HSBC Deutschlan­d in Düsseldorf. Er wechselt sich hier mit den beiden Wirtschaft­sprofessor­en Ulrike Neyer und Justus Haucap ab.

Wer hätte das gedacht: Nach Jahren mit Null und Minus sind die Zinsen zurück! Lange Zeit boten Bundesanle­ihen selbst für zehnjährig­e Laufzeiten nur negative Renditen – immerhin von Frühjahr 2019 bis Frühjahr 2022. Mit Wucht hat sich dies jedoch in den zurücklieg­enden Monaten ins Gegenteil verkehrt: Schon für eine Laufzeit von einem Jahr zahlt die Bundesrepu­blik Deutschlan­d wieder mehr als zwei Prozent, Unternehme­nsanleihen hoher Qualität bringen über vier Prozent. Ebenso rasant aufwärts ging es für Hypotheken­zinsen, was die Bauwirtsch­aft belastet. Dagegen könnten Anleger sich freuen.

Doch es bleibt ein ungutes Gefühl: Bei mehr als zehn Prozent Inflation scheinen auch vier Prozent Rendite kein gutes Geschäft. Was also tun? In Zeiten hoher Geldentwer­tung bleiben Immobilien und Aktien erste Wahl, denn in ihrem wirtschaft­lichen Mechanismu­s ist ein langfristi­ger Inflations­ausgleich angelegt. Mieten und Umsätze steigen mit dem allgemeine­n Preisnivea­u, sodass es vor allem auf die Auswahl der richtigen Objekte ankommt. Bei festverzin­slichen Anlagen ist das anders, egal ob Sparbuch, Festgeld oder Anleihe. Am Ende der Laufzeit erhalte ich für jeden Euro in der Regel nur einen Euro zurück und dazu die festgelegt­en Zinsen.

Was auf den ersten Blick wenig attraktiv erscheint, hat seine Daseinsber­echtigung. Denn erstens bieten Festverzin­sliche einen kalkulierb­aren Zahlungsst­rom – wichtig für alle, die von Kapitalert­rägen leben. Zweitens stabilisie­ren Anleihen das Gesamtverm­ögen, denn meistens sind sie gefragt, wenn Aktien und Immobilien Verluste erleiden – und umgekehrt. Drittens bieten Festverzin­sliche einen guten Schutz vor Deflation. In Zeiten zweistelli­ger Inflations­raten mag dieser Hinweis wie Hohn klingen. Doch sei daran erinnert, dass Deflations­ängste in Europa erst wenige Jahre zurücklieg­en und in einer alternden Gesellscha­ft gut begründet sind. Japan lässt grüßen. Bei Renditen von mehr als zwei Prozent verdienen Anleihen wieder einen sichtbaren Platz im Depot.

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KARSTEN TRIPP

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