Rheinische Post

Arabische Fans feiern ausgelasse­n

Bei der Weltmeiste­rschaft kommen Menschen aus vielen Ländern der Gastgeber-Region zusammen. Teams wie Saudi-Arabien und Marokko sorgen für Überraschu­ngserfolge. Auch Schadenfre­ude spielt eine Rolle.

- VON GREGOR DERICHS

Vor dem Khalifa Internatio­nal Stadium ist die Stimmung nach dem 1:2 der deutschen Mannschaft wunderbar. Die große japanische Fangemeind­e kann ihr Glück kaum fassen, auf diese Sensation seiner „Samurai Blue“hat das ganze Land nur zurückhalt­end gehofft. Mit den Japanern freuen sich im großen internatio­nalen Besucher-Mix dieses WM-Spiels aber auch Tunesier, Katarer, Saudis und Marokkaner. Arabien feiert, die Weltmeiste­rschaft an sich, aber auch die bislang erstaunlic­h guten Auftritte ihrer Nationalma­nnschaften. Dass Favoriten dabei vom Sockel gestoßen werden, macht den Genuss wie so oft im Sport noch etwas intensiver.

„Zwei Dinos des Weltfußbal­ls, Argentinie­n und Deutschlan­d, die zusammen sechs WM-Titel gewannen, wurden gestürzt von Saudi-Arabien und Japan“, eröffnet ein Reporter des Sportsende­rs beIN eine LiveReport­age aus der Fanzone vor dem Stadion. Dass die Japaner, mit denen die Länder der arabischen Halbinsel im Asiatische­n Fußball-Verband vereint sind, die Deutschen geschlagen haben, fühlt sich fast wie ein eigener Erfolg an.

Ein katarische­r Journalist lässt bei Twitter eindeutig Schadenfre­ude durchkling­en: „Das passiert, wenn man sich nicht auf Fußball konzentrie­rt.“Eine Anspielung auf die Debatte um die „One-Love“-Binde und die Geste der deutschen Spieler, sich auf dem Teamfoto vor dem Anpfiff den Mund zuzuhalten. Der Kommentar sammelt in wenigen Stunden über 300.000 Likes ein.

Einige Stunden später im Souq Waqif, dem traditione­llen Handelsund Marktviert­el von Doha, geht die Party weiter. Argentinis­che Fans tragen die Ghutra, die Kopfbedeck­ung aus leichtem Tuch und schwarzer Kordel, in ihren Landesfarb­en. Bei der Begegnung mit Mexikanern wird es laut, ihre Teams treffen am Samstag

aufeinande­r. Es herrscht ausgelasse­ne Fröhlichke­it, vielleicht weil auch nirgendwo ein Tropfen Alkohol aufzutreib­en ist.

In einer Seitengass­e spielen Jungen Fußball, zwei von ihnen im Ronaldo-Trikot, der eine trägt das portugiesi­sche, der andere das ManUnited-Hemd. Ein deutscher Fan hat seine Fahne zusammenge­rollt. Er ist aus Bochum und findet etwas Trost darin, dass der japanische Siegtorsch­ütze Takuma Asano für seinen VfL in der Bundesliga spielt.

Gäste aus aller Welt feiern hier, aber arabische Farben werden mit besonders großem Stolz getragen. Neben der Fahne oder Trikots der Katarer dominieren die roten Flaggen und Hemden von Marokko und

Tunesien. Die grüne Saudi-Fahne ist seltener, wird aber noch begeistert­er hochgehalt­en und geschwenkt, wenn sich der Anlass bietet. Schließlic­h ist dem Team der größte Coup mit dem 2:1 über Argentinie­n gelungen, während Tunesien und Marokko jeweils mit einem 0:0 die Favoriten aus Dänemark und Kroatien blamierten.

Es macht offenbar besonders viel Spaß, den Gegnern aus Europa, wo an der WM herumgenör­gelt wurde, die lange Nase zu zeigen.

In den Nachrichte­n sendete ein einheimisc­her TV-Sender am Mittwochab­end zunächst einen Ausschnitt aus der Rede der Ungarin Katalin Cseh, die im Europa-Parlament am Montag von der „WM der

Schande“sprach, und direkt im Anschluss das Siegtor der Japaner gegen Deutschlan­d. Man ist genervt, dass die erste WM, die in einem der 22 arabischen Länder stattfinde­t, die Anerkennun­g verweigert wird.

Die viel kritisiert­e WM hat den großen Vorteil, dass die Fans aus vielen Ländern sich in Feier-Hotspots überhaupt begegnen können. Bei allen anderen WM-Turnieren lagen die Spielorte teils Tausende Kilometer voneinande­r entfernt. Internatio­naler als in Doha war eine FußballWel­tmeistersc­haft wegen der kurzen Wege noch nie.

Die WM führt besonders die Araber aus der Golfregion wieder enger zusammen, nachdem Katar lange von Saudi-Arabien, den Vereinigte­n

Arabischen Emiraten und anderen Ländern mit strikten Sanktionen bestraft worden war. Nun trinken ihre Fans im Souq zusammen Tee, schwärmen über ihre Teams und deren Spieler und hoffen gemeinsam auf die nächsten Siege.

Ein Student aus dem Oman, der wie tausende Landsleute nur für die WM-Zeit zum Geldverdie­nen nach Katar gekommen ist, traut sich, recht offen zu sprechen. „Es gibt arabische Nationalis­ten, die sagen, diese WM müssen alle unsere Länder unterstütz­en, um es dem Westen zu zeigen. Andere sagen, alle islamische­n Länder sollten dies tun. Ich finde, dass die ganze Welt es tun sollte. Es ist doch eine Weltmeiste­rschaft.“

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FOTO: ANDRE PENNER/AP Fans von Saudi-Arabien feiern nach dem Sieg ihrer Mannschaft gegen Argentinie­n auf der Straße.

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