Mieter fürchten um ihre Wohnungen
Lange Sanierungsarbeiten, Auszugsprämien und erschwerte Wohnbedingungen: So scheint eine Firma Mieter loswerden zu wollen.
In Bademänteln und mit gepackten Koffern haben kürzlich vor dem Rathaus Mieter von Mamisch und Paschertz (MP) demonstriert. Die Immobilienfirma kauft in der ganzen Stadt Häuser auf und saniert sie. Das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum hat nach eigenen Angaben mehr als 50 Häuser identifiziert, die dieser Firma gehören oder bereits wieder verkauft wurden. Darin befänden sich rund 100 leerstehende Wohnungen, die allesamt dem Wohnungsamt gemeldet worden seien. Den Bestandsmietern, heißt es, würden Abfindungen angeboten, wenn sie sich für einen Auszug entscheiden. Über die genaue Summe wird – zumeist vertraglich – Stillschweigen vereinbart. Die anschließenden Sanierungsarbeiten zögen sich dann in vielen Häusern sehr lange hin, was die verbliebenen Mieter als ausgesprochen störend empfänden.
Sanierungsarbeiten in bewohnten Häusern führen naturgemäß zu Lärm, Dreck und vorübergehenden Einschränkungen. In einigen MP-Häusern aber scheinen sie nicht vorüberzugehen. Martina Burkandt lebt seit über 20 Jahren an der Pfalzstraße, hatte nie Probleme mit ihrem Vermieter – bis zum Aufkauf der Immobilie durch MP 2019. Seit im Jahr darauf die Sanierung begann, nimmt der Ärger für sie kein Ende mehr.
Schon im April hatte sie sich gemeinsam mit den beiden anderen im Haus gebliebenen Mietparteien (von ehemals elf) und mit Unterstützung des BfbW an die Presse gewandt: Sie berichteten von oft ungenügenden Hinweisen auf bevorstehende Arbeiten, durch die man sich nur schwer auf Wasser- oder Stromausfälle vorbereiten könne, von angeblich irrtümlich ausgeräumten Kellern, einem Heizungsausfall und einem „offenen Dach“seit dem Frühjahr. Die Eigentümer hatten damals alles dementiert.
Heute zeigt sich wenig Fortschritt an dem Sanierungsobjekt: An der hinteren Fassade klafft in jeder Etage ein riesiges Loch – für den Aufzug, der schon seit dem Frühjahr eingebaut werden soll. Notdürftig sind die Öffnungen mit Spanplatten und Folien abgedeckt. Das Dach ist seit längerem undicht: Bei stärkerem Regen tropft es von Martina Burkandts Decke, an der sich Wasserflecken gebildet haben, auch Schimmel wurde festgestellt. Immer noch ist das Gebäude komplett eingerüstet, die Dachziegel stehen unberührt vor dem Haus, drinnen ist es kalt, zugig und feucht.
Einzig bei der Heizung hat sich inzwischen etwas getan: Sie wurde nach langem Hin und Her koordiniert entlüftet und läuft nun wieder. „Allerdings müssen wir gegen den Zug anheizen – und es wird ja beständig
kälter“, sagt Burkandt. Sie ist inzwischen mit den Nerven am Ende. Die ständige Korrespondenz mit der Hausverwaltung, den Anwälten von MP, dem Mieterverein, aber auch mit der Wohnungs- und Bauaufsicht ist zermürbend. „Man wird behandelt, als sei man selbst schuld und würde nur meckern.“Den Rückzugsort, der ihre Wohnung eigentlich sein sollte, findet Burkandt dort nicht mehr. „Stattdessen hat man ständig Sorge, was als Nächstes kommt, und womit wir uns dann herumschlagen müssen.“
Immer wieder wird der Vorwurf laut, dass die Mieter so zum „freiwilligen“Auszug gebracht werden sollen, um deren Wohnungen später teurer vermieten oder verkaufen zu können. MP weist das entschieden zurück und verweist stattdessen auf die schwierige Lage in der Handwerks- und Baustoffbranche.
Helmut Schneider, Sprecher des BfbW, gibt sich damit nicht zufrieden.
Er fordert „dringend rechtliche Instrumente“von der Politik, die schließlich regelmäßig neuen oder auch die Erhaltung von bestehendem bezahlbarem Wohnraum verspreche, ohne dass Taten folgten. Die Stadt solle von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen, wenn größere Firmen bereits aufgefallen seien, oder einen Genehmigungsvorbehalt anwenden.
Ein Sprecher der Stadt erklärt dazu auf Anfrage, der Immobilienerwerb „mit dem Ziel des Weiterverkaufs“sei „wohnungsrechtlich nicht grundsätzlich verboten“. Es gebe jedoch Möglichkeiten, „unbillige Beeinträchtigungen zu verhindern oder abzustellen“. Im konkreten Fall der Pfalzstraße etwa prüfe die Wohnungsaufsicht regelmäßig die Arbeiten und melde auch Fortschrit
te: Die Undichtigkeit im Dach sei beseitigt, die Heizung funktioniere wieder und der Aufzugsschacht werde nun täglich nach der Arbeit abgedichtet.
Laut Martina Burkand aber reicht das nicht. Die Plastikplanen schützen kaum, die Absicherungen seien weiterhin eine Gefahrenquelle und auch am Dach ist nach ihrer Einschätzung nichts geschehen. Der Wasserschaden in ihrer Wohnung sollte ebenfalls über das Dachgeschoss behoben werden. „Trocknungsgeräte müsste man aber doch hören“, sagt sie und erhielt auf Nachfrage schließlich die Ankündigung, man wolle nun im Dezember beginnen – dann aber mit Geräten in ihrer Wohnung.
Mit Fotos, Videos und Zeugen dokumentieren die Mieter beständig, was in dem Haus passiert. Sie sind nicht die Einzigen. Aus diversen Häusern, die MP gehören, kommen die verbliebenen Mieter regelmäßig zusammen, um das gemeinsame Vorgehen zu besprechen und Erfahrungen auszutauschen. Ihre Schilderungen ähneln einander, in verschiedenen Abstufungen. Doch viele scheuen den Weg an die Öffentlichkeit, auch weil sie fürchten, das könne ihnen bei weiteren Gespräche mit MP schaden.
Dieter Hanf lebt seit 51 Jahren mit seiner Frau Renate an der Bunsenstraße – auch dieses Haus wurde von MP aufgekauft. Seit Mai 2022 wird hier saniert. Lärm und Dreck, unsauberes Wasser aus Leitungen, kleinere Wasserschäden an der Decke, zwischenzeitlich keine funktionierende Heizung und vieles mehr macht dem Paar zu schaffen. Die meisten seiner Nachbarn sind inzwischen ausgezogen. „Aber in unserem Alter und nach all diesen Jahren – wo sollen wir denn hin?“, sagt Hanf. Als der Bauschutt in anderen Wohnungen gelagert wurde, hat er die Bauaufsicht angerufen. Seither ist ein Teil in Containern weggebracht worden, aber ein großer Haufen liegt seit Monaten im Innenhof, der dadurch nicht mehr nutzbar ist.
Die meisten MP-Mieter haben sich inzwischen Unterstützung vom Mieterverein geholt. Doch rechtlich ist die Lage schwierig. Anwalt Uwe Warnecke rät zur Vorsicht bei Forderungen. „Etwa bei der Mietminderung muss man moderat bleiben. Eine Fehleinschätzung oder eigenmächtigen Minderung kann zur fristlosen Kündigung führen“, erklärt er. Unstimmigkeiten solle man lieber gerichtlich klären – aber auch das kann dauern.
Tatsächlich wurde etwa den Mietern an der Pfalzstraße eine temporäre Mietminderung angeboten – aufgeschlüsselt nach den jeweiligen Belastungen in einzelnen Monaten. „An anderer Stelle einigt man sich auf eine pauschale Mietminderung, und alle Seiten haben weniger Arbeit damit“, so Warnecke, der einen Generationenwechsel unter den Immobilienbesitzern registriert. „Eigentlich sind gerade einmal 18 Prozent der Immobilien in Händen von größeren Unternehmen, der Großteil ist in Privatbesitz.“Das aber ändere sich. „Viele Häuser kommen jetzt auf den Markt, und einige nutzen diese Chance, um entsprechend teure (Eigentums-) Wohnungen zu schaffen“, meint er. Die öffentliche Hand müsse sich an die rechtlichen Rahmenbedingungen halten und könne nur schwer eingreifen. Juristisch sei es daher ein schwieriges Feld, weshalb auch der Anwalt die Politik gefordert sieht.
Eine öffentliche Diskussion hält Eigentümer MP dagegen nicht für notwendig. Der Anwalt des Unternehmens macht im Gespräch häufig deutlich, dass dies kein Thema sein soll, das „öffentlich geklärt werden müsse“. Vielmehr wolle man individuelle Lösungen finden und sich anderweitig mit den Mietern einigen.