Hohe Inflationsraten – ein Zukunftstrend?
Wirtschaft und Verbraucher erleben derzeit eine seit vielen Jahren nicht gekannte Inflation. Doch es gibt Anzeichen, dass der Höhepunkt bereits erreicht wurde.
Seit Monaten sind die steigenden Verbraucherpreise ein Dauerthema in den Medien. Im Oktober stieg die Inflationsrate in Deutschland auf 10,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Einen derartigen Preisanstieg hat es seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben. Bis heute stand die höchste Inflationsrate bei 7,8 Prozent im Jahr 1951. Damals trieben die Folgen des Koreakrieges die Preise, schwächten sich aber schnell wieder ab.
Seit den 90er-Jahren beobachten wir nur mäßige Inflationswerte. In den vergangenen zehn Jahren lag die Quote im Durchschnitt bei 1,4 Prozent. Damit war das Thema Inflation seit Jahren aus dem Bewusstsein der Menschen in Deutschland verschwunden.
Das Jahr 2022 hat hier eine Zeitenwende eingeleitet. Die Preissteigerungen im zweistelligen Bereich stellen eine Zäsur da. Auslöser ist ganz wesentlich der Ukraine-Krieg und die damit einhergehenden Preisauftriebe bei Energieprodukten (plus 43 Prozent über Vorjahresniveau) und bei Nahrungsmitteln (plus 20,3 Prozent über Vorjahresniveau). Ohne diese beiden Komponenten läge aktuell die Inflationsrate bei rund fünf Prozent – noch immer deutlich höher als in der vergangenen Dekade!
Die aktuellen Inflationszahlen werden von großen Teilen der Bevölkerung in Deutschland mit großem Unbehagen beobachtet. Vor wenigen Wochen veröffentlichte das Meinungsforschungsinstitut Forsa die Ergebnisse einer Umfrage zu den Sorgen/Ängsten der
Deutschen. Unter den fünf meist genannten Themen waren drei benannt, die mit hohen Preissteigerungen und Energiekosten in Zusammenhang standen.
Ähnliche Ergebnisse belegen das pünktlich zum Weltspartag herausgegebene Vermögensbarometer des Deutschen Sparkassenund Giroverbandes (DSGV). Demnach haben sich die Aussichten der Deutschen mit Blick auf die eigenen finanziellen Möglichkeiten deutlich eingetrübt. Nach den Ergebnissen der Sparkassenorganisation sind 90 Prozent der Menschen in unserem Land durch die hohe Inflation belastet. Fast 60 Prozent haben ihr Konsumverhalten eingeschränkt; 54 Prozent kaufen deutlich weniger ein; Haushalte mit einem Nettoeinkommen von monatlich unter 1500 Euro müssen starken Verzicht üben.
Diese Ergebnisse sind dramatisch. Sie dokumentieren die negativen Auswirkungen der außergewöhnlichen Preissteigerungen auf die Gesamtgesellschaft. Sind die aktuellen Inflationsraten von vorübergehender Natur, oder müssen wir uns langfristig auf die Folgen hoher Geldentwertung einstellen?
Drei Komponenten haben zu den hohen Preisen in diesem Jahr geführt:
• Der Ukraine-Krieg mit seinen Auswirkungen auf die Energiepreise
• Die Störung der Lieferketten als Folge der Corona-Pandemie
• Die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken, insbesondere der Europäischen Zentralbank (EZB).
Aktuell gibt es Anzeichen, die auf eine Abschwächung der Inflation hinweisen.
1. Die Notenbanken haben weltweit ihren geldpolitischen Kurs im Jahresverlauf geändert und lassen die Zinsen wieder steigen. Ein Ende einer straffen Notenbankpolitik ist nicht absehbar. Sowohl die amerikanische Notenbank als auch ihr europäischer Partner, die EZB, haben in den zurückliegenden Wochen weitere Zinsschritte angekündigt. Offen blieb lediglich die künftige Höhe der Anhebungen. Auch wenn die Wirkung dieser Geldpolitik erst zeitversetzt Ergebnisse zeigt, so wird sich ihr dämpfender Einfluss im Verlauf des kommenden Jahres erweisen.
2. Die globalisierte Wirtschaft hat im vergangenen Jahrzehnt preisdämpfend gewirkt. Die Produktion vieler Güter verlagerte sich in jene Regionen, wo sie am günstigsten erfüllt werden konnte. Ein steigender Warenaustausch war die Folge, von dem die deutsche Volkswirtschaft profitierte. Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie geriet der weltweite Warenaustausch ins Stocken. Insbesondere die Null-Covid-Strategie in China sorgte für verzögerte Lieferungen, zum Beispiel von Chip-Komponenten. Konsequenterweise wurde die Produktion zum Beispiel in der Automobilindustrie gedrosselt, was hier wiederum zu deutlichen Preiserhöhungen führte. Mittlerweile zeigt sich eine Abkehr von der strikten Null-CovidStrategie in China, die im kommenden Jahr für Entspannung des Außenhandels sorgen sollte und damit preisdämpfend wirken wird. 3. Bleibt der Ukraine-Krieg mit seinen Folgen für die Energiepreise. Energie wird teuer bleiben. Aber auch hier zeigen sich erste Entspannungen. Die Preise für Mineralöl und Gas sind in den letzten Wochen gefallen und liegen deutlich unter ihren
Höchstwerten vom Spätsommer. An den Zapfsäulen der Tankstellen lässt sich dieses für den Verbraucher gut nachvollziehen.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben wir den Höhepunkt steigender Preise bereits hinter uns. Zumindest gibt es klare Zeichen, dass das Inflationspotenzial Grenzen erfährt. Die führenden Wirtschaftsinstitute erwarten für das kommende Jahr eine anhaltend hohe Inflationsrate von 8,8 Prozent. Für 2024 weisen ihre Berechnungen dann einen Wert von 2,4 Prozent aus. Mit anderen Worten: Hohe Preissteigerungsraten müssen die Verbraucher in den kommenden Monaten noch hinnehmen. Inflation wird aber nicht zum Zukunftstrend des Wirtschaftsgeschehens. Die Perspektiven deuten klar auf eine zukünftig moderate Preisentwicklung hin. Dieses ist zum Ausgang eines turbulenten Jahres eine gute Nachricht.