Mission Schadensbegrenzung
Es ist der Abschluss einer Woche der diplomatischen Kuscheltherapie: Frankreichs Premierministerin Elisabeth Borne ist am Freitagnachmittag zum Besuch in Berlin eingetroffen. Dort bemüht man sich, das angeschlagene Verhältnis der beiden Länder zu normalis
Ist es schon Krisendiplomatie? Vielleicht. Der Versuch, Wogen zu glätten? Auf jeden Fall. Was sich in dieser Woche zwischen Berlin und Paris abgespielt hat, ist bemerkenswert. Und zeigt, dass beide Seiten unbedingt dem Eindruck entgegentreten wollen, dass die berühmte deutsch-französische Achse Schaden genommen hat.
Am Freitag empfing Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Frankreichs Premierministerin Elisabeth Borne im Kanzleramt. In Paris gaben sich wiederum die Woche über deutsche Kabinettsmitglieder die Klinke in die Hand. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sowie Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) waren in der französischen Hauptstadt an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten zu Gast. Doch alle drei wurden von Präsident Emmanuel Macron empfangen. Protokollarisch zumindest ungewöhnlich. Warum? Ein Staatsoberhaupt trifft sich für gewöhnlich nicht mit Ministern, sondern mit Staats- und Regierungschefs. Baerbock betonte bei ihrem Besuch zwar, es gehöre zu den deutsch-französischen Beziehungen, „dass man untereinander in den Regierungen auf unterschiedlichsten Ebenen miteinander im Gespräch ist“. Dennoch: Nicht jeder, der am Elysée-Palast anklopft, wird auch hereingelassen.
Ist das Höflichkeit oder der Versuch, alternative Gesprächskanäle
neben dem Kanzleramt in die deutsche Regierung zu öffnen? Von allem etwas, heißt es aus Paris. Dass die Beziehungen zwischen den beiden engen Partnern in den vergangenen Wochen belastet waren, konnte man in beiden Hauptstädten hören. Es hatte Misstöne gegeben. Ein deutsch-französischer Ministerrat war kurzfristig abgesagt worden. Macron hatte vor einer Isolierung Deutschlands in Europa gewarnt.
Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire sprach nach den Besuchen von einem „neuen Elan in der deutsch-französischen Beziehung“, erlaubte sich aber doch die spitze Bemerkung, dass das
deutsche Hilfspaket in Höhe von 200 Milliarden Euro in Frankreich Sorge vor Wettbewerbsverzerrungen ausgelöst hatte. Doch die Irritation darüber ist, so hört man, inzwischen abgeklungen. „Wir wollen wieder verstärkt gemeinsam Projekte identifizieren und diese anderen europäischen Ländern zum Einstieg anbieten“, beeilte sich Habeck nach dem Treffen mit Le Maire zu betonen. Es habe Kommunikationsfehler gegeben, heißt es von beiden Seiten. Und hinter vorgehaltener Hand heißt es auch, dass die beiden Chefs miteinander nicht ganz so gut könnten: Scholz und Macron, das funktioniere bislang eher leidlich – obwohl
sie beide als ehemalige Finanzminister einen gewissen wirtschaftlichen Hintergrund teilen.
Doch unterschiedliche Positionen in Kernfragen wie Energie, Verteidigung oder der Industriepolitik hätten die deutsch-französische Achse tatsächlich ins Holpern gebracht. Auch die Frage etwa, wer wie wann und in welcher Konstellation zu einer China-Reise aufbrechen sollte, wird in Berlin und Paris unterschiedlich erzählt. Das Ende vom Lied: Scholz war im November in Peking, Macron soll nun im Januar fliegen.
Also alles wieder gut? Noch nicht ganz, doch man denke auch zurück
an die Jahre unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Auf die glühende Europa-Rede des jungen, ungestümen französischen Präsidenten an der Sorbonne-Universität hatte man im Kanzleramt zunächst keine Antwort. Dann versuchte sich die damalige CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer an einer Replik, veröffentlichte einen Meinungsartikel, der letztlich verpuffte. Merkel lud Macron auf die Baustelle des Schlosses in Berlin-Mitte ein – so wirklich war damals von „der lieben Angela“auch noch keine Rede. Auch Merkel ist die Macron‘sche Inszenierfreude eher suspekt gewesen – doch nach und nach entstand zwischen den beiden eine Freundschaft. So gesehen stünden Olaf und Emmanuel doch noch alle Chancen offen, wird in den Ministerien gescherzt.
Am Freitag jedenfalls unterzeichneten Scholz und Borne eine gemeinsame Erklärung zur Energiesolidarität. „Freunde stehen sich bei in der Not“, sagte Scholz. Denn spätestens zu Beginn des Jahres soll alles wieder gut sein – wird doch am 22. Januar der 60. Geburtstag des Elysée-Vertrags gefeiert, der den Grundstein der Freundschaft zwischen beiden Ländern legte. Und ja: Auch die beste Freundschaft will gepflegt werden.