Rheinische Post

„Sieg der Solidaritä­t“für den Iran

Gegen Wales gibt es drei Punkte und Unterstütz­ung für den Prostest daheim.

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(dpa) Die glückliche­n iranischen Fußball-Profis warfen ihren Trainer Carlos Queiroz in die Luft und feierten ihren bewegenden Sieg unter größtem politische­n und sportliche­n Druck. Der WM-Außenseite­r gewann am Freitag im zweiten Vorrundens­piel der Gruppe B gegen Wales um Stürmersta­r Gareth Bale dank Toren von Roozbeh Cheshmi und Ramin Rezaeian in der achten und elften Minute der Nachspielz­eit mit 2:0 (0:0). Nach dem ganz späten Doppelpack gab es bei den Iranern kein Halten mehr. Ausgelasse­n tanzten sie in Al-Rajjan über den Rasen, im Stadion wurden Lieder zur Party abgespielt.

„Heute waren wir mental bereit. Am Ende konnten wir zum Glück den Sieg einfahren. Das war ein Sieg der Solidaritä­t“, sagte Torschütze Chesmi. Trainer Queiroz fand: „Wir haben uns diese beiden Tore verdient. Wales ist ein fantastisc­hes Team, es war nur ein Spiel. Heute war unser Tag. Schon morgen kann der Tag von Wales sein.“Bei den Walisern herrschte Frust. „Wir sind sehr enttäuscht. Es wird sehr schwer, wir haben noch ein Spiel. Wir müssen uns gut erholen und dann noch einmal alles geben“, sagte Superstar Bale, der praktisch die ganze Partie hinter seinen Möglichkei­ten geblieben war.

Der walisische Torwart Wayne Hennessey hatte zuvor in der 86. Minute die Rote Karte nach einer Notbremse außerhalb des Strafraums gegen Mehdi Taremi gesehen. Beide Teams haben noch Chancen aufs Weiterkomm­en. Vor 40.875 Zuschauern

im Ahmad bin Ali Stadion schwiegen die iranischen Spieler diesmal nicht bei der Nationalhy­mne, sondern bewegten mit ernsten Mienen sichtbar die Lippen. Die meisten Pfiffe in der Arena verstummte­n, als auf der Videowand ein herzzerrei­ßend weinender älterer Fan mit einer iranischen Fahne gezeigt wurde.

Der Druck auf die Spieler, die auch um das Wohl ihrer Familien in der Heimat fürchten müssen, war wohl zu groß geworden: Vor dem 2:6 gegen England hatten sie stumm den Klängen gelauscht. Daraufhin war über drohende drastische Sanktionen vonseiten der Regierung berichtet worden. „Im ersten Spiel lag riesiger Druck auf uns, dem konnten wir nicht standhalte­n. Deswegen gab es ein Ergebnis, das nicht so ausfiel, wie wir das wollten“, sagte Cheshmi nach dem Sieg gegen Wales.

Der Iran wird seit Wochen von den schwersten Protesten seit Jahrzehnte­n erschütter­t. Der Tod einer jungen Frau im Polizeigew­ahrsam hatte diese ausgelöst, der Sicherheit­sapparat reagierte mit äußerster Härte. Den Spielern sind mögliche Konsequenz­en ihres Handelns in ihrer Heimat bewusst.

Gleichzeit­ig hatten viele Anhänger der Protestbew­egung Irans Team Melli scharf kritisiert. Vor allem ein Foto mit Präsident Ebrahim Raisi hatte kurz vor Abflug für Empörung gesorgt. Zu spät und zu klein sei die Aktion dann auf dem Spielfeld gewesen, bemängelte­n die Kritiker. „Wenn der Druck sich nur um Fußball drehen würde, wäre es akzeptabel“, sagte Cheshmi. „Zurzeit passieren einige Dinge für die Spieler, die nicht fair sind. Sie werden ungerecht behandelt, sie bekommen Druck abseits des Fußballs.“

Vor der Begegnung wurde bekannt, dass der ehemalige iranische Nationalsp­ieler Voria Ghafouri nach Angaben der regierungs­nahen Nachrichte­nagentur Tasnim am Donnerstag verhaftet worden ist.

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FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Wales-Torwart Wayne Hennessey sah Rot.

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