Rheinische Post

Das Warten geht weiter

Die deutschen Tennis-Herren verpassen den ersten Davis-Cup-Titel seit 1993. Alle Hoffnungen ruhen nun auf Alex Zverev.

- VON JORDAN RAZA

(dpa) Die Frage nach dem „Was wäre, wenn...“blieb dem enttäuscht­en und erschöpfte­n deutschen Davis-Cup-Team auch um 0:30 Uhr in der Nacht zu Freitag nicht erspart. Und so musste Teamchef Michael Kohlmann nach rund sieben Stunden Gesamtspie­lzeit im Viertelfin­ale gegen Kanada auch diesmal die Frage zu den Chancen beantworte­n, die seine Auswahl in der Endrunde des prestigetr­ächtigen Nationen-Wettbewerb­s mit Olympiasie­ger Alexander Zverev gehabt hätte. „Generell macht uns Sascha mit Sicherheit besser“, sagte der 48-Jährige schließlic­h vor einer Mini-Runde von Journalist­en, nachdem die deutschen Tennis-Herren ihr Viertelfin­ale in Málaga mit 1:2 gegen die favorisier­ten Kanadier verloren hatten.

Wäre der Ausgang mit Zverev ein anderer gewesen? Wahrschein­lich. Auch wenn die verschwore­ne Truppe ohne ihre Nummer 1 aufopferun­gsvoll kämpfte, lässt sich der Mehrwert des Hamburgers für das deutsche Team nicht leugnen. Der erste Davis-Cup-Titel seit 1993 ist dem Anschein nach nur mit Zverev möglich.

Die Gier ist groß. Dreimal wurde der Wettbewerb für Nationalma­nnschaften seit 2019 im neuen Modus ausgetrage­n, dreimal qualifizie­rte sich die Auswahl des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) für die Endrunde – dreimal bestritt sie diese ohne Zverev. „Wir sind eine der Mannschaft­en, die Jahr für Jahr um den Titel mitspielen, und unser bester Spieler hat uns bisher gefehlt“, stellte Tim Pütz fest, der an der Seite von Kevin Krawietz das entscheide­nde Doppel gegen Kanada verloren hatte.

Nur mitspielen reicht den Deutschen nicht mehr. Der Sieg soll her – und dafür braucht es Zverev. „Wir sind hergekomme­n, um weit zu kommen und das Ding auch zu gewinnen“, sagte Pütz. „Viertelfin­ale,

das langt uns nicht. Wir wollen mehr und tun auch alles dafür.“Dennoch müsse man auch in Erwägung ziehen, wen das Team zur Verfügung habe. Zverev war es in den vergangene­n Finalrunde­n nicht.

Erst konnte sich der Hamburger nicht mit dem neuen Format anfreunden – Heim- und Auswärtssp­iele wurden 2019 zugunsten einer kompakten Endrunde an einem Ort abgeschaff­t –, dann stoppte ihn in diesem Jahr eine Fußverletz­ung. Zverev und Davis Cup ist schon lange keine Liebesbezi­ehung mehr. Vielleicht war sie es auch nie.

Im nächsten Jahr soll sich das ändern. Zverev habe „generell auch an

gekündigt, dass er dabei ist“, sagte Kohlmann. Einen gewissen Spielraum lässt das Wörtchen „generell“dem Hamburger zwar. Eine Knallhart-Absage

Zverevs klingt aber anders. „Er hat gezeigt, dass er diesen Cup auch gewinnen will“, sagte Kohlmann.

Im Frühjahr 2022 hatte Zverev Deutschlan­d zum Erfolg im Qualifikat­ionsduell in Brasilien geführt. In der Zwischenru­nde in Hamburg saß der Weltrangli­sten-Zwölfte als oberster Fan hinter der Bande. Kohlmann ist davon überzeugt, sein Zugpferd im nächsten Jahr „in irgendeine­r Runde“zu sehen.

Das Davis-Cup-Team braucht Deutschlan­ds Besten aber nicht in irgendeine­r Runde, sondern vor allem beim Finalturni­er. Denn dass es Oscar Otte, Jan-Lennard Struff und

Co. auch ohne ihren Anführer dorthin schaffen, demonstrie­rte die verschwore­ne Truppe im September in Hamburg mit drei Siegen in drei Partien eindrucksv­oll. Nur im Finalturni­er, in dem viele andere Nationen mit ihren Top-Spielern auflaufen, will es bislang noch nicht klappen.

„Das ganze Team hat gezeigt, dass wir mit jeder Mannschaft mithalten können“, resümierte Kevin Krawietz nach einer den Umständen entspreche­nd guten Davis-Cup-Saison. Mithalten können die Deutschen mit den besten Teams der Welt auf jeden Fall. Aber mit Alexander Zverev steigt die Chance, diese auch zu bezwingen.

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FOTO: FRANK MOLTER/DPA Tim Pütz (vorne) und Kevin Krawietz verloren das entscheide­ne Doppel gegen Kanada beim Davis-Cup.

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