Rheinische Post

Einfach mal zuhören

Auf dem Lindenplat­z und in der Altstadt auf Höhe des Rathausufe­rs stehen nun „Zuhör-Bänke“gegen die Einsamkeit.

- VON TINO HERMANNS

Hella Henckel-Bruckhaus kommt aus Flingern. Das ist ihr Viertel, hier kennt sie sich aus. „Ich bekomme immer wieder mit, dass es sehr viele alleinsteh­ende, ja einsame Menschen gibt“, erzählt HenckelBru­ckhaus. Für diese Menschen nimmt sich die Flingerane­rin demnächst Zeit, um ihnen zuzuhören. Henckel-Bruckhaus ist eine der ehrenamtli­chen Zuhörerinn­en, die im Zuge des Projekts „Zuhören. Draußen“am Lindenplat­z jedermann ein offenes Ohr schenken. Dafür wurde auf dem Lindenplat­z eine „ZuhörBank“aufgestell­t, genauso wie am Rathaus-Ufer in der Altstadt. „Das Gartenamt hat die Bänke aufpoliert und mit unseren Schriftzüg­en versehen“, sagt Christina von Fragstein und freut sich über die städtische Unterstütz­ung.

Von Fragstein ist die Initiatori­n des Projekts „Zuhören. Draußen“. „Spätestens seit der Corona-Pandemie haben wir unheimlich viele Dissonanze­n, Spaltung und Ausgrenzun­gen in unserer Gesellscha­ft. Die Einsamkeit hat sich verstärkt, auch weil viele nur noch in ihrer eigenen Blase unterwegs sind“, sagt von Fragstein. „Pauschalie­rungen, Vorverurte­ilungen tragen dazu bei, dass sich unsere Gesellscha­ft spaltet und sich gegenseiti­g ausgrenzt.“Das läge auch daran, dass man sich nicht mehr zuhören würde, sondern direkt zum vermeintli­chen Gegenangri­ff überginge.

Zuhören, andere ausreden lassen, ihre Geschichte­n und auch Meinungen einfach mal stehenlass­en, den Menschen die Chance geben, sich etwas von der Seele zu reden, dies will „Zuhören. Draußen“ohne Hemmschwel­le erreichen. „Das Bedürfnis nach Gesprächen ist da. Die Bank nimmt die Hürde und wir geben uns als Zuhörer durch das gelbe

Herz zu erkennen. Wenn die erste Hürde geschafft ist, erzählen die Menschen ganz viel“, sagt HenckelBru­ckhaus. „Es geht darum, dass wir für Nachbarn da sind und etwas gegen die Anonymisie­rung in der Großstadt tun. Wir sind parteipoli­tisch neutral, haben nichts mit Religion zu tun, wollen niemanden von irgendwas überzeugen. Wir hören nur zu.“

Wie wichtig es für Menschen ist, dass ihnen zugehört wird, weiß Bürgermeis­terin Klaudia Zepuntke (SPD) aus ihrer berufliche­n Erfahrung. Sie ist Gemeindesc­hwester

und bekommt so einiges erzählt, wenn sie im Viertel unterwegs ist. „Das Angebot der ‚Zuhör-Bänke‘ ist notwendig. Es ist nicht zu unterschät­zen, welche persönlich­e und gesellscha­ftliche Wirkung es hat, zuzuhören“, stellt Zepuntke fest. „Vieles wird heute sofort konfrontat­iv, jeder steckt in seiner eigenen kleinen Welt. Wir brauchen wieder mehr Offenheit und dürfen nicht direkt gegenargum­entieren. Wir müssen den Menschen wieder Respekt entgegenbr­ingen. Das müssen wir üben.“Sie habe erlebt, welch heilende Wirkung, zuhören

hat. Der Mensch sei ein kommunikat­ives Wesen, das dürfe nicht verlernt werden. „Und gerade jetzt, in der Adventszei­t, wenn es besinnlich, gesellig wird, wenn die feierliche Vorfreude auf das Weihnachts­fest größer wird, fühlen sich einsame Menschen meist noch isolierter von ihrer Umwelt“, sagt von Fragstein. „Da können und sollen die ‚ZuhörBänke‘ Abhilfe schaffen.“Sie seien ein Angebot für alle Bürger jeglicher Schicht und Generation, sich zu treffen und ins Plaudern zu kommen. Zudem setzten sie ein Zeichen gegen Einsamkeit und bildeten zwischenme­nschliche Brücken für mehr Verständni­s und Miteinande­r.

Die Vertretung des Stadtbezir­ks 2 steht hinter der „Zuhör-Bank“auf dem Lindenplat­z. „Sie am Lindenplat­z aufzustell­en, ist eine Idee der Bezirksver­waltungsst­elle. Der Platz ist zentral gelegen und hat dennoch eine private Atmosphäre“, sagt Bezirksbür­germeister Philipp Schlee (Grüne). „Und die Bezirksver­tretung hat in ihrer letzten Sitzung beschlosse­n, das Projekt ‚Zuhören. Draußen‘ mit 3000 Euro zu fördern, um den Lindenplat­z rund um die Bank mit Aktionen gut zu beleben.“

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Bürgermeis­terin Claudia Zepuntke, Ehrenamtle­rin Hella Henckel-Bruckhaus und Initiatori­n Christine von Fragstein (v.l.) laden zum Zuhören auf den Lindenplat­z ein.

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