Der Weihnachtsmann ist ein Wiener
Es werde Licht! Aber nicht zu hell. Energiemangel dimmt in eher finsterer Zeit den weihnachtlichen Lichterglanz. Im Deutschen Weihnachtsdorf von „Käthe Wohlfahrt“in Rothenburg ob der Tauber gehen jedoch auch in diesem Jahr die Lampen nicht aus.
Weihnachtliches Ambiente ohne stimmungsvolle Beleuchtung? Undenkbar für Harald Wohlfahrt, der seit 32 Jahren deutsche Weihnacht in die ganze Welt exportiert. Das ewige Lichtermeer aus Ökostrom gehöre zu seiner Ladeninszenierung. Schon vor Jahren habe er den Energieverbrauch drastisch gesenkt, erklärt der Sohn des Gründerpaares Wilhelm und Käthe. Nicht nur im Winter wenn‘s mal schneit, auch bei 36 Grad Sommerhitze tummeln sich Weihnachtsjunkies und Touristen aus Europa und Übersee in der ständigen Vertretung des deutschen Weihnachtsmannes.
Felicitas Hoeptner, eine von weltweit 280 Beschäftigten und die gute Fee im Stammhaus des Käthe Wohlfahrt Unternehmen, klingelt mit dem Glöckchen. „Dorfführung“. Am Eingangsbereich mit allerlei festlichem Krimskrams noch eine Treppe hinabsteigen und…wow! Willkommen in der auf Hochglanz polierten Weihnachtswelt. In vier „Dorfvierteln“glitzert und glimmert es auf 1000 Quadratmetern Verkaufsfläche. „Look, wonderfully“schwärmt Kate aus Bristol vor tickenden „Cockoo Clocks“. Derweil zieht es Töchterchen Poppy hinüber zu kunstvoll bemalten Nikoläusen und drolligen Räuchermännchen. „Please don‘t touch“, warnt ein Schild nicht nur vor kindlichem Zugriff. Einem älteren Herrn haben es poetisch gestaltete figürliche Winterszenen angetan: „Limitierte Editionen“, sagt Felicitas Hoeptner stolz. Viele Unikate werden in der hauseigenen Künstlerwerkstatt gefertigt. Da sei jedes Ohr, jede Pupille eines Püppchens filigran geschnitzt, bemalt und geklebt.
Dann führt die Kulturwissenschaftlerin und PR-Frau auf den „Dorfplatz“. Eingerahmt von verschneiten Fachwerkhäuschen und Türmchen leuchten von einem mächtigen 5,70 Meter hohen Baum 122.000 Lichter in die Glückseligkeit. Wonderful Christmas Time. In Schaufenstern und Auslagen gibt es mit 30.000 Artikeln das volle Deko-Programm. Angefangen habe alles 1964 mit einer Musikspieldose
aus dem Erzgebirge, verrät Hoeptner.
Bei ihrer Flucht 1956 aus Sachsen hatten Käthe und Wilhelm Wohlfahrt ein Exemplar mit nach Westdeutschland genommen. Sieben Jahre später luden die Wohlfahrts eine amerikanische Offiziersfamilie zum Weihnachtsfest ein, die das Stück ganz besonders „lovely“fand. Wilhelm wollte
seinen Freunden ein Exemplar schenken. Als er sich auf die Suche nach einer Spieldose machte, traf er auf einen Großhändler. Der verscherbelte seine Ware aber nur im Zehnerpack. Wilhelm griff trotzdem zu. Den Rest verkaufte er in schwäbischen US-Kasernen.
Die Nachfrage nach dem Symbol deutscher Weihnachtstradition war so groß, dass
selbst unter dem Jahr Sortimente aus dem Erzgebirge Keller und Wohnung des Ehepaares bis unters Dach füllten. Auf Wohltätigkeits-Basaren für stationierte Soldaten wechselte die Ware dann den Besitzer. Ein scheinbar unwirtschaftliches Geschäft gab den Impuls für einen profitablen und krisensicheren Dauerläufer durch die Jahrzehnte. Weil der Vater
damals in einem großen Unternehmen arbeitete, wurde die Firma auf den Namen seiner Ehefrau eingetragen. Als Erinnerung an die Heimat blieb die alte Original-Spieldose in Familienbesitz. Nachbildungen sind mit einem Schweizer Musikwerk erhältlich. Aber nicht immer. Pech für zwei Kunden aus dem Burgenland. Die begehrten Automaten
füllen wieder im Advent die Regale, erfahren sie von einer Verkäuferin.
Hat da etwa ein Promi alles eingesackt? An Prominenz fehlt es in der Herrengasse 1 nämlich keineswegs. Karlheinz Böhm absolvierte in dem Erlebnisfachgeschäft seine Weihnachtseinkäufe, und Whoopy Goldberg und Arnold Schwarzenegger erlebten unter dem Sternenhimmel der Christmas-Wunderwelt ebenso ein weihnachtliches „feel good“wie andere Größen aus dem Showgeschäft. Tauchen Stars und Sternchen meistens inkognito auf, fahren gekrönte Häupter aus dem Morgenland oder Asien oft mit einem halben Dutzend Limousinen vor. Und weil ja Weihnachten ist und man einer kaufkräftigen Prinzessin ohnehin nichts abschlagen darf, wird im Weihnachtsdorf für eine Hoheit auch schon mal eine Extra-Toilette eingerichtet sowie dem Wunsch nach einem eigenen Bad entsprochen.
Manchmal kommen Gäste auch nur, um sich aufzuwärmen. Oder sie zücken ihr Handy, wie Felicitas Hoeptner beobachtet hat. „No pictures, please“, werden sie dann von den Verkäuferinnen freundlich gebeten. Kaum haben die sich umgedreht, macht‘s klick.