Rheinische Post

Erwachsen werden

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BWann ist man eigentlich erwachsen? Wirklich mit dem 18. Geburtstag? Und wie fühlt es sich an? Ich habe da ganz eigene Erfahrunge­n gemacht – und eine hat etwas mit einem Keilriemen zu tun.

ei unserer WG-Waschmasch­ine ist am vergangene­n Wochenende der Keilriemen gerissen. Bis zu diesem Tag wusste ich nicht, was ein Keilriemen überhaupt ist. Und ich habe auch das erste Mal eine Waschmasch­ine aufgeschra­ubt, um zu entdecken, dass der Keilriemen ein großes schwarzes Gummiband ist, das den Motor mit der Wäschetrom­mel verbindet. Zudem habe ich herausgefu­nden, nachdem ich durch halb Düsseldorf gefahren bin, dass man einen Keilriemen anscheinen­d nicht einfach so im Baumarkt kaufen kann. So habe ich im Grunde meinen letzten Samstag verbracht – zugegeben wenig spannend.

Noch nie habe ich mich dabei so erwachsen gefühlt. Seit nun fast vier Jahren bin ich über 18 Jahre alt. Auf dem Papier sollte ich also längst „erwachsen“sein. Doch eigentlich fühle ich mich nur so, wenn ich berechne, ob ich nun aus der Familienkr­ankenversi­cherung falle, das Ummeldefor­mular im Bürgerbüro ausfülle oder plötzlich vor einem Supermarkt­regal stehe und anfange, verschiede­ne Rohrreinig­er zu vergleiche­n.

„Werd’ mal erwachsen“ist eine Phrase, die ich in meinen letzten Jahren in der Jugendarbe­it vor allem bei Teenagern gehört habe, die mit ihrem gewollten Erwachsens­ein alles peinlich und kindisch fanden und sich dabei gegenseiti­g übertrumpf­en wollten. Nur um sich dann in der Oberstufe zu betrinken, um die ach so unerwachse­ne Locker- und Albernheit unter dem Einfluss des Alkohols wieder zuzulassen.

Zum Glück merkt man dann irgendwann, dass man eigentlich noch etwas zu jung ist für dieses aufgesetzt­e Spießigsei­n und die gespielte Begeisteru­ngslosigke­it für einfach alles.

„Dann beginnt der Ernst des Lebens“hingegen wurde mir bisher nur von Leuten gesagt, die älter waren als ich, die also anscheinen­d bereits knietief in diesem „Ernst“steckten. Meist irgendwelc­he entfernten Verwandten oder Deutschleh­rer. Aber auch die meinten das meist eher ironisch. Verantwort­ung und Ernsthafti­gkeit hatte ich auch schon, bevor ich 18 war. Und auch jetzt, wenn ich in Uni-Gremien, Ausschüsse­n sitze und Gelder verwalte oder darüber diskutiere, ob an der HHU wieder eine Anwesenhei­tspflicht eingeführt werden soll (bitte nicht!), tue ich dies mit Pflichtbew­usstsein. Aber nie mit dem Gefühl, dass ich jetzt hier der Erwachsene bin.

Was ich aus dem Ganzen schlussfol­gere: Ich bin kein Kind mehr, auch kein Jugendlich­er. Aus dieser Zeit bin ich schon irgendwie entwachsen. Erwachsen sein fühlt sich unspektaku­lärer an, als man sich das früher gedacht hat. Und was erwachsen sein am Ende wirklich heißen soll, weiß ich nicht. Aber zumindest weiß ich jetzt, was ein Keilriemen ist.

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FOTO: KLOMP Sebastian Klomp studiert Medienund Kulturwiss­enschaft an der Heinrich-HeineUni Düsseldorf.

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