Wundersame Unterwasserwelt
Eine Expedition, die die Tiefen des Indischen Ozeans vor Westaustralien untersucht hat, ist auf bizarre, teils unbekannte Lebewesen gestoßen. Vor allem in der Nähe von Vulkanen auf dem Meeresboden entdeckten die Forscher seltene Tiere und Pflanzen.
Avorls das australische Forschungsschiff „Investigator“wenigen Tagen im Hafen von Henderson in Westaustralien einlief, brachten die Wissenschaftler an Bord Proben, Foto- und Filmaufnahmen einer bis dahin unbekannten Welt mit. Mehr als 35 Tage war die Expedition, die von der australischen Forschungsagentur CSIRO geführt wurde, unterwegs. Insgesamt legten die Forscher rund 11.000 Kilometer zurück, um das Unterwasserleben in Teilen des Indischen Ozeans zu untersuchen.
Die untersuchte Region umfasst eines von zwei neuen Meeresschutzgebieten, die die australische Regierung im März im australischen Teil des Indischen Ozeans eingerichtet hat. Das riesige Gebiet mit tiefen Abgründen, Unterwasserbergen, tektonischen Graten und Korallenatollen war bisher relativ unerforscht. „Nur wenige geologische Expeditionen haben den Meeresboden im Detail untersucht, und ein Großteil der Region ist noch nicht kartiert,“sagte Tim O’Hara vom Museums Victoria Research Institute, der die Expedition als ChefWissenschaftler begleitete. Die Expedition sei die erste gewesen, die die Fauna am Meeresboden untersucht und Proben für wissenschaftliche Studien mitgebracht habe.
Während der Expedition stießen die Forscher auf uralte, massive Berglandlandschaften, flankiert von Vulkankegeln, schroffen Graten und Schluchten. Unterwasseraufnahmen – bis zu fünf Kilometer unterhalb der Oberfläche – zeigten zudem ein vielfältiges Leben unter Wasser. Unter den dokumentierten Lebewesen ist beispielsweise ein blinder Aal, der in einer Tiefe von etwa fünf Kilometern eingesammelt wurde und mit lockerer, transparenter, gallertartiger Haut bedeckt ist. Die Wissenschaftler konnten herausfinden, dass die Weibchen lebende Junge zur Welt bringen – das ist sehr ungewöhnlich für einen
Fisch. Außerdem stieß das Team auf einen Pelikanaal, der trotz eines winzigen Kopfes einen riesigen Kiefer und dehnbaren Magen hat, damit er große Beute verschlingen kann. Die Aale haben ein Leuchtorgan an der Schwanzspitze, um Beute anzulocken.
Ein weiteres faszinierendes Lebewesen, das die Forscher fotografierten, war ein Tiefsee-Fledermausfisch, der sich auf armartigen Flossen über den Meeresboden bewegt. Die Tiere tragen einen winzigen „Fischköder“in einer kleinen Vertiefung auf ihrer Schnauze, um Beute anzulocken.
Die Forscher dokumentierten auch einen Fisch mit langen, nach unten zeigenden Flossen und verdickten Spitzen, die es dem Fisch ermöglichen, sich wie auf Stelzen hoch vom Boden abzustützen. Letzteres gibt dem Fisch die richtige Höhe, um sich von kleinen Garnelen zu ernähren, die in der Strömung vorbeitreiben. Mehrere Fische, die die Forscher filmten, waren typische gefräßige Tiefseeräuber mit Mündern voller langer, scharfer Zähne.
So machten die Wissenschaftler Aufnahmen eines SloaneViperfisches, der so große Zähne hat, dass sie auch bei geschlossenem Mund sichtbar sind. Der Fisch hatte eine Reihe von Leuchtorganen entlang seiner Unterseite und eine sehr lange obere Flosse mit Leuchtorganen an der Spitze, um Beute anzulocken. Begeistert waren die Wissenschaftler auch von einem Seeigel, der ein sehr feingliedriges Skelett hat, das sich wie ein Pfannkuchen abflacht, wenn es aus dem Wasser kommt. Die Stacheln sind giftig. Ein weiterer aufregender Fund waren Bimssteine, die – so vermuten die Wissenschaftler – wahrscheinlich vom Ausbruch des indonesischen Vulkans Krakatau im Jahr 1883 stammen.
Die Reise war Teil einer Mission des Museums Victoria Research Institute. Das Forschungsinstitut dokumentiert die unbekannte Artenvielfalt Australiens – von trockenen Wüstenbereichen bis hin zu den Tiefen des Meeres wie in diesem Fall. Die aktuelle Expedition habe mehr als 50 Orte in den australischen Territorien im Indischen Ozean untersucht und dabei wertvolle wissenschaftliche Daten und Proben zurückgebracht, sagte der Chef-Wissenschaftler O’Hara. „Diese können zur Beschreibung neuer Arten und zum Verständnis ihrer Ökologie und Entwicklung verwendet werden.“
Schon heute befinden sich in den Sammlungen des Instituts mehr als 16 Millionen naturhistorische Exemplare, die in mehr als 170 Jahren zusammengetragen wurden. Die Zahl der aus australischen Gewässern bekannten Meeresarten werde nach Auswertung dieser Expedition nun aber nochmal kräftig ansteigen, meinte O’Hara. Die aktuellen Entdeckungen teilten die Wissenschaftler übrigens auch mit „Nachwuchsforschern“. Per Livestream schalteten sie sich während der Reise direkt in Klassenzimmer in ganz Australien ein und begeisterten so auch Schüler für die teils wundersamen Funde.