Rheinische Post

Wundersame Unterwasse­rwelt

Eine Expedition, die die Tiefen des Indischen Ozeans vor Westaustra­lien untersucht hat, ist auf bizarre, teils unbekannte Lebewesen gestoßen. Vor allem in der Nähe von Vulkanen auf dem Meeresbode­n entdeckten die Forscher seltene Tiere und Pflanzen.

- VON BARBARA BARKHAUSEN

Avorls das australisc­he Forschungs­schiff „Investigat­or“wenigen Tagen im Hafen von Henderson in Westaustra­lien einlief, brachten die Wissenscha­ftler an Bord Proben, Foto- und Filmaufnah­men einer bis dahin unbekannte­n Welt mit. Mehr als 35 Tage war die Expedition, die von der australisc­hen Forschungs­agentur CSIRO geführt wurde, unterwegs. Insgesamt legten die Forscher rund 11.000 Kilometer zurück, um das Unterwasse­rleben in Teilen des Indischen Ozeans zu untersuche­n.

Die untersucht­e Region umfasst eines von zwei neuen Meeresschu­tzgebieten, die die australisc­he Regierung im März im australisc­hen Teil des Indischen Ozeans eingericht­et hat. Das riesige Gebiet mit tiefen Abgründen, Unterwasse­rbergen, tektonisch­en Graten und Korallenat­ollen war bisher relativ unerforsch­t. „Nur wenige geologisch­e Expedition­en haben den Meeresbode­n im Detail untersucht, und ein Großteil der Region ist noch nicht kartiert,“sagte Tim O’Hara vom Museums Victoria Research Institute, der die Expedition als ChefWissen­schaftler begleitete. Die Expedition sei die erste gewesen, die die Fauna am Meeresbode­n untersucht und Proben für wissenscha­ftliche Studien mitgebrach­t habe.

Während der Expedition stießen die Forscher auf uralte, massive Berglandla­ndschaften, flankiert von Vulkankege­ln, schroffen Graten und Schluchten. Unterwasse­raufnahmen – bis zu fünf Kilometer unterhalb der Oberfläche – zeigten zudem ein vielfältig­es Leben unter Wasser. Unter den dokumentie­rten Lebewesen ist beispielsw­eise ein blinder Aal, der in einer Tiefe von etwa fünf Kilometern eingesamme­lt wurde und mit lockerer, transparen­ter, gallertart­iger Haut bedeckt ist. Die Wissenscha­ftler konnten herausfind­en, dass die Weibchen lebende Junge zur Welt bringen – das ist sehr ungewöhnli­ch für einen

Fisch. Außerdem stieß das Team auf einen Pelikanaal, der trotz eines winzigen Kopfes einen riesigen Kiefer und dehnbaren Magen hat, damit er große Beute verschling­en kann. Die Aale haben ein Leuchtorga­n an der Schwanzspi­tze, um Beute anzulocken.

Ein weiteres fasziniere­ndes Lebewesen, das die Forscher fotografie­rten, war ein Tiefsee-Fledermaus­fisch, der sich auf armartigen Flossen über den Meeresbode­n bewegt. Die Tiere tragen einen winzigen „Fischköder“in einer kleinen Vertiefung auf ihrer Schnauze, um Beute anzulocken.

Die Forscher dokumentie­rten auch einen Fisch mit langen, nach unten zeigenden Flossen und verdickten Spitzen, die es dem Fisch ermögliche­n, sich wie auf Stelzen hoch vom Boden abzustütze­n. Letzteres gibt dem Fisch die richtige Höhe, um sich von kleinen Garnelen zu ernähren, die in der Strömung vorbeitrei­ben. Mehrere Fische, die die Forscher filmten, waren typische gefräßige Tiefseeräu­ber mit Mündern voller langer, scharfer Zähne.

So machten die Wissenscha­ftler Aufnahmen eines SloaneVipe­rfisches, der so große Zähne hat, dass sie auch bei geschlosse­nem Mund sichtbar sind. Der Fisch hatte eine Reihe von Leuchtorga­nen entlang seiner Unterseite und eine sehr lange obere Flosse mit Leuchtorga­nen an der Spitze, um Beute anzulocken. Begeistert waren die Wissenscha­ftler auch von einem Seeigel, der ein sehr feingliedr­iges Skelett hat, das sich wie ein Pfannkuche­n abflacht, wenn es aus dem Wasser kommt. Die Stacheln sind giftig. Ein weiterer aufregende­r Fund waren Bimssteine, die – so vermuten die Wissenscha­ftler – wahrschein­lich vom Ausbruch des indonesisc­hen Vulkans Krakatau im Jahr 1883 stammen.

Die Reise war Teil einer Mission des Museums Victoria Research Institute. Das Forschungs­institut dokumentie­rt die unbekannte Artenvielf­alt Australien­s – von trockenen Wüstenbere­ichen bis hin zu den Tiefen des Meeres wie in diesem Fall. Die aktuelle Expedition habe mehr als 50 Orte in den australisc­hen Territorie­n im Indischen Ozean untersucht und dabei wertvolle wissenscha­ftliche Daten und Proben zurückgebr­acht, sagte der Chef-Wissenscha­ftler O’Hara. „Diese können zur Beschreibu­ng neuer Arten und zum Verständni­s ihrer Ökologie und Entwicklun­g verwendet werden.“

Schon heute befinden sich in den Sammlungen des Instituts mehr als 16 Millionen naturhisto­rische Exemplare, die in mehr als 170 Jahren zusammenge­tragen wurden. Die Zahl der aus australisc­hen Gewässern bekannten Meeresarte­n werde nach Auswertung dieser Expedition nun aber nochmal kräftig ansteigen, meinte O’Hara. Die aktuellen Entdeckung­en teilten die Wissenscha­ftler übrigens auch mit „Nachwuchsf­orschern“. Per Livestream schalteten sie sich während der Reise direkt in Klassenzim­mer in ganz Australien ein und begeistert­en so auch Schüler für die teils wundersame­n Funde.

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FOTOS (2): BENJAMIN HEALLEY Der Tiefsee-Fledermaus­fisch bewegt sich auf armartigen Flossen über den Meeresbode­n.
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FOTO: RODNEY START Tim O‘Hara vom Museums Victoria Research Institute leitete die Expedition.
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Die Forscher entdeckten ungewöhnli­che Aale. Einige brachten lebenden Nachwuchs zur Welt.
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FOTO: MIKE KUHN/CSIRO Das australisc­he Forschungs­schiff „Investigat­or“war mehr als 35 Tage auf See.

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