Rheinische Post

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29.11.1974

- Urteil gegen Ulrike Meinhof TEXT: JENI | FOTO: ULLSTEIN BILD

Im Frühsommer 1972 war

Ulrike Meinhof für kurze

Zeit die meistgesuc­hte Frau Deutschlan­ds. Zwei Wochen zuvor hatte die Polizei die Terroriste­n Andreas Baader, JanCarl Raspe und Holger Meins festgenomm­en, wenige Tage später dann auch Gudrun Ensslin. Meinhof wurde als letztes führendes Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF) verhaftet. Sie kam zunächst in die damals leerstehen­de psychiatri­sche Abteilung des Gefängniss­es Köln-Ossendorf. Dort blieb sie in Einzelhaft und wurde streng isoliert. Ihre Anwälte protestier­ten mehrfach gegen die Haftbeding­ungen, die die Gefangene als Folter beschrieb. 1975 begann in Stuttgart der „StammheimP­rozess“. Im Hauptverfa­hren gegen die führenden Köpfe der RAF waren Meinhof, Baader, Ensslin, Meins und Raspe unter anderem angeklagt wegen Mordes an fünf und Mordversuc­hs an 54 Menschen sowie wegen der Gründung einer kriminelle­n Vereinigun­g. Noch vor Prozessbeg­inn stand Meinhof jedoch in Berlin-Moabit wegen Baaders Befreiung vor Gericht. Am 29. November 1974 wurde sie schuldig gesprochen, sich an der Gefangenen­befreiung beteiligt zu haben. Sie sei zum Schusswaff­engebrauch bereit gewesen und habe deshalb auch die Schüsse auf den bei der Befreiungs­aktion verletzten Institutsa­ngestellte­n zu verantwort­en, hieß es. Meinhof wurde zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt. Danach wurde sie zurück nach Stammheim überführt. Das Prozessend­e dort erlebte sie nicht mehr. Sie wurde im Frühjahr 1976 tot in ihrer Zelle aufgefunde­n, sie hatte sich erhängt. 1977 endete der bis dahin aufwendigs­te Prozess der Bundesrepu­blik mit Schuldsprü­chen gegen Baader, Ensslin und Raspe.

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