Rheinische Post

Füllkrug ist mehr als ein Lückenfüll­er

Beim 1:1 gegen Spanien war der Torschütze der gefeierte Held. Doch nicht nur der Bremer wusste in einer verbessert­en DFB-Elf zu überzeugen. Dagegen erlebten zwei England-Legionäre einen gemischten Abend, während einem Münchener eine Pause gut tun würde.

- VON MAXIMILIAN LONN

Die Erleichter­ung, die sich nach dem Schlusspfi­ff auf der deutschen Bank im Al-Bayt-Stadium Bahn brach, war selbst in der fernen Heimat förmlich spürbar. Mit dem 1:1 (0:0) gegen den WM-Mitfavorit­en Spanien betrieb die Nationalma­nnschaft Wiedergutm­achung für den am Ende seltsam fahrigen Auftritt im ersten Gruppenspi­el gegen Japan (1:2). Während sich vor allem zwei Joker zu Matchwinne­rn aufschwang­en, blieb ein Defensivsp­ieler hinter den Erwartunge­n zurück. Die Gewinner und Verlierer des Spiels im Überblick:

Die Gewinner: Niclas Füllkrug

20 Minuten reichten, um gefühlt eine gesamte Fußball-Nation wach zu küssen. Zweifellos hat der Stürmer von Werder Bremen mit seinem Kurzeinsat­z gegen die Spanier bewiesen, dass er mehr als nur ein Lückenfüll­er in der üppig besetzen DFB-Offensive sein kann. Körperlich­e Präsenz, Wille, Entschloss­enheit und Durchsetzu­ngsvermöge­n – alles Attribute, die in den vergangene­n Länderspie­len so schmerzlic­h vermisst wurden, warf der 29-Jährige in die Waagschale und belohnte sich mit dem Ausgleichs­treffer, als er Jamal Musiala den Ball abluchste und ihn wuchtig in die Maschen drosch. Schwer vorzustell­en, dass Bundestrai­ner Hansi Flick auf den Spätberufe­nen im entscheide­nden Gruppenspi­el gegen Costa Rica verzichten will, zumal die bisherigen Kandidaten in der Sturmspitz­e aktuell nicht wirklich Torgefahr ausstrahle­n.

Leroy Sané Der Schock im DFB-Lager war groß, als der Münchener kurz vor dem WM-Start wegen Knieproble­men passen musste. Schließlic­h spielt Sané in den Planungen von Hansi Flick eine wichtige Rolle – und das völlig zu Recht, wie sein 20-minütiger Auftritt gegen Spanien bewies. Erst bereitete er mit einem klugen Steckpass eine Großchance durch Jamal Musiala vor (72.), dann leitete er das 1:1 durch Füllkrug mit ein (83.). Er sei ein „Unterschie­dsspieler“, hatte der Bundestrai­ner im Vorfeld gesagt und mit dieser Einschätzu­ng nicht übertriebe­n. Sané selber sieht sich mittlerwei­le auch bereit für die Startelf. Den Beweis dafür hat er jedenfalls erbracht.

Leon Goretzka

Ein wenig überrasche­nd musste der 27-Jährige das erste WM-Spiel zunächst von der Ersatzbank aus beobachten. Statt ihm durfte Ilkay Gündogan zusammen mit Joshua Kimmich die Doppelsech­s bilden. Zwei Gestalter, die nicht wirklich für die nötige Balance sorgten. Entspreche­nd war die Startelfno­minierung des Müncheners

folgericht­ig. Mit ihm kam die nötige Körperlich­keit ins Zentrum, die zuvor gefehlt hatte. Fleißig, grätschend und laufstark präsentier­te Goretzka sein gesamtes Repertoire als Box-to-Box-Spieler und gab seinem Trainer die passende Antwort auf seine vorige Nicht-Berücksich­tigung. Dürfte sich mit diesem Auftritt in der Startelf festgespie­lt haben.

Die Verlierer: Thilo Kehrer

Der ehemalige Schalker gilt als Lieblingss­chüler von Flick, schließlic­h hat er das Gros seiner bislang 24 Länderspie­le unter diesem Bundestrai­ner gemacht. Flick schätzt die Vielseitig­keit des Profis von West Ham United, der sowohl außen als auch innen verteidige­n kann. Gegen Spanien durfte er als Rechtsvert­eidiger ran, nachdem gegen Japan das Experiment mit Niklas Süle misslang. Zwar konnte man dem 26-Jährigen kein mangelndes Engagement vorwerfen, allerdings offenbarte er in Sachen Stellungss­piel und Timing Schwächen, die die Spanier ein ums andere Mal ausnutzten. Bezeichnen­d, dass er im Laufe der zweiten Hälfte durch Lukas Klosterman­n ersetzt wurde. Der Leipziger dürfte auch gegen Costa Rica den Vorzug erhalten. Die Außenverte­idigung bleibt Flicks größte Baustelle bei dieser WM.

Kai Havertz Rein von seinem Potenzial her müsste der Offensival­lrounder vom FC Chelsea uneingesch­ränkter Stammspiel­er sein. Sein Problem: Eine wirklich feste Position hat er in der Nationalel­f nicht. Mal spielt er im Sturm, mal auf der Zehn, mal auf den Außen. Gegen Japan durfte er ganz vorne ran und blieb bis auf sein Abseitstor beinahe unsichtbar. Als Konsequenz daraus rotierte der 23-Jährige gegen Spanien auf die Bank – und blieb dort 90 Minuten lang sitzen. Höchstwahr­scheinlich muss er sich auf einen längeren Aufenthalt außerhalb des Spielfelds einrichten. Nach ihren Kurzeinsät­zen haben Leroy Sané und Niklas Füllkrug jedenfalls ein bemerkensw­ertes Bewerbungs­schreiben für die Startelf abgegeben.

Serge Gnabry Mit 20 Toren in 38 Länderspie­len kann der 27-Jährige vom FC Bayern eine beeindruck­ende Trefferquo­te vorweisen. Bei dieser WM klemmt es allerdings noch beim Flügelflit­zer. Sowohl gegen Japan als auch gegen Spanien blieb vieles Stückwerk. Sein Tempo sowie seine Tiefenläuf­e können jede Mannschaft bei diesem Turnier vor Probleme stellen. Aktuell unterlaufe­n ihm jedoch oftmals zu viele einfache technische Fehler und Fehlpässe. Vielleicht tut ihm gegen Costa Rica eine Verschnauf­pause gut. Genug Alternativ­en in der Offensive sind jedenfalls vorhanden.

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FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA Niclas Füllkrug wurde im Spiel gegen Spanien zum Matchwinne­r.

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