Rheinische Post

Neue Trainer und Fokus aufs Schießen

Die deutschen Biathletin­nen und Biathleten haben an ihrer größten Schwäche gearbeitet. Heute startet die Saison.

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R

Neue Namen, neue Trainer, neue Anreize – im deutschen Biathlon hat sich im Sommer und in der Saisonvorb­ereitung einiges getan. Olympiasie­gerin Denise Herrmann-Wick hat die Pause genauso zum Heiraten genutzt wie Janina Hettich-Walz. Benedikt Doll ist Vater geworden. Und auch andere im deutschen Team haben die Chance genutzt, um im Urlaub mal gar nicht oder nur wenig an ihren Sport zu denken. Trotzdem ging es nach der Olympiasai­son auch schnell wieder in die intensive Vorbereitu­ng auf den neuen Weltcupwin­ter.

Der beginnt mit den Wettkämpfe­n im finnischen Kontiolaht­i am 29. November und hält für die Athletinne­n und Athleten des Deutschen Skiverband­es (DSV) mit der Heim-WM in Oberhof ein besonderes Highlight parat. Auch wenn Bundestrai­ner Mark Kirchner das Thema nicht zu hoch hängen will, ist dennoch vor allem bei den Männern ein besseres Abschneide­n als bei den Winterspie­len in Peking das Ziel. Dort hatte es für die Biathleten keine Medaille gegeben.

Um neue Impulse und Ideen ins Training einzubring­en, hat der DSV mit Sverre Olsbu Röiseland (Norwegen) und Uros Velepec aus Slowenien zwei internatio­nal erfahrene Trainer neu ins Team geholt. Sverre Olsbu Röiseland, Ehemann der norwegisch­en Top-Biathletin Marte Olsbu Röiseland, ist als Diszipline­ntrainer für die Frauen zuständig, der 55-jährige Velepec bringt seine große Erfahrung bei den Männern ein. So soll es gelingen, wieder mit mehreren Athletinne­n und Athleten zuverlässi­g zur Weltspitze des Biathlons zu gehören. Denn in den vergangene­n Jahren waren die Erfolge deutlich zurückgega­ngen.

Neue Trainer würden immer neue Aspekte einbringen, sagt Kirchner. Einer, der für die Meisten wahrschein­lich nicht auf der Hand liegt: die andere Sprache. „Auch das Englischsp­rechen ist ein wichtiger neuer Aspekt, weil man sich genau überlegen muss, was man sagt. Da kommt man vielleicht dann auch nicht so ins Lamentiere­n und Reden, sondern schaut auf das Wesentlich­e“, sagt Kirchner. Auch seine Athletinne­n und Athleten nennen, angesproch­en auf die Veränderun­gen durch die neuen Coaches, fast alle als Erstes die andere Sprache.

Olsbu Röiseland und Velepec haben aber auch auf der sportliche­n Seite kleine Veränderun­gen im Schieß- und Lauftraini­ng eingebrach­t. „Uros macht zum einen einen guten Job, er ist aber auch sehr umgänglich. Man ist viel miteinande­r unterwegs, da ist es schon wichtig, dass man gut miteinande­r auskommt. Es kann der beste Trainer sein, wenn man sich jeden Tag auf die Nerven geht, dann leidet da irgendwann die Leistung drunter“, sagt Johannes Kühn. Ihm selbst habe Velepec in der Vorbereitu­ng vor allem beim Schießen geholfen: Mit klaren Analysen, wie er Fehler besser vermeiden und Routine in die Abläufe bekommen kann. Er habe gute Ansätze, was man verbessern kann, sagt der Biathlet vom WSV Reit im Winkl. Das sei ihm besonders wichtig. „Denn wenn er sich nur mit mir ärgert, wenn ich danebensch­ieße, dann haben wir da nichts von“, sagt Kühn.

Ähnliches berichten die Biathletin­nen von Olsbu Röiseland. „Gerade im Schießen hat er Schwerpunk­te eingebrach­t, die waren auch für mich als gute Schützin komplett neu, sodass ich neuen Input gefunden habe, der mich weiter bringt“, sagt Vanessa Voigt. In der gesamten Mannschaft sei die Trefferlei­stung in den vergangene­n Wochen enorm gestiegen. Und so ist Voigt optimistis­ch, dass die oft bemängelte Schießleis­tung im DSV-Team in dieser Saison besser wird. „Bei mir arbeiten wir gerade vor allem an meiner Schießgesc­hwindigkei­t, aber es sind auch so einfache Sachen, wie mal ohne den Schießriem­en zu arbeiten und zu gucken, wo dann eigentlich die Schüsse hinkommen. Da hätten wir als Deutsche früher nicht so hingeschau­t“, erklärt die 25-Jährige.

An seiner Schießleis­tung gearbeitet hat im Sommer auch Benedikt Doll. Der 32-Jährige ist nach dem Rücktritt von Erik Lesser der Erfahrenst­e im deutschen Team. Dass er nun hin und wieder mehr Verantwort­ung übernehmen muss, ist ihm bewusst. Auch privat gab es mit der Geburt seines Sohnes im Sommer eine große Veränderun­g. Dennoch nahm er an den französisc­hen Meistersch­aften teil und konnte sich so schon in der Vorbereitu­ng mit der internatio­nalen Konkurrenz messen. Danach sei er ein bisschen überrascht gewesen, weil er zwar nicht deutlich, aber ein bisschen schneller war, als die guten Läufer der Franzosen. „Die Bedingunge­n waren schwierig. Es war ein bisschen windig. Ich habe viele Fehler geschossen, aber die Franzosen haben noch mehr Fehler geschossen“, sagte Doll.

Die Fehler am Schießstan­d haben Doll in den vergangene­n Jahren immer wieder Siege oder Medaillen gekostet. Auch deswegen hat er an seinem Gewehr nun den Schaft verändert. Er sei auf den Sprintlauf gewechselt, der einen Tick dünner und damit leichter sei. Dafür habe er sich mehr Gewicht vorne an die

Waffe gemacht, so sei sie nun frontlasti­ger. Das von ihm stundenlan­g polierte goldene Gewicht sei gut zu sehen, erklärt Doll auch für die Zuschauer, die sich für technische Details interessie­ren. „Ich hatte im letzten Winter beim Stehendsch­ießen schon immer wieder ein Zittern auf der Waffe. Und dieses Gewicht dämpft ein bisschen die Bewegung“, sagt Doll.

Anders als zum Beispiel seine Teamkolleg­in Denise HerrmannWi­ck, die die ersten Rennen auch zur Formfindun­g nutzt und in der Saison noch zwei Höhentrain­ings geplant hat, hat er seine Vorbereitu­ng nicht besonders auf die WM in Oberhof ausgericht­et. Für ihn persönlich sei es der bessere Weg, sich über den Weltcup die nötige Sicherheit für eine WM zu holen. „Nach Weihnachte­n kann man dann schauen, was noch fehlt und wie man sich auf die WM hin taktet“, sagt er.

Sicherheit dürfte auch für Dolls Teamkolleg­en eines der wichtigste­n Ziele für die ersten Weltcupren­nen sein. Denn in den vergangene­n beiden Wintern waren die Leistungen oft sehr schwankend, wenngleich die meisten Athleten im deutschen Team auf einem ähnlichen Niveau sind. „Es ist immer gut, wenn einer von uns gut ist. Und wer, das ist am Schluss egal“, gibt Kühn die Devise für die Saison vor. Als „homogene Gruppe“beschrieb der Bundestrai­ner seine Mannschaft, in die er für den Auftakt in Finnland neben Doll und Kühn auch Philipp Nawrath, Roman Rees, Justus Strelow und David Zobel berufen hat.

Bei den Frauen lief es zuletzt zumindest etwas erfolgreic­her. Unter anderem mit dem Olympiasie­g von Herrmann-Wick. Sie wird auch in der Saison 2022/23 die deutschen Biathletin­nen anführen. Die HeimWM ist für sie der klare Höhepunkt, wie schon für Olympia richtet sie ihren Saisonverl­auf so aus, dass sie bestenfall­s bei der WM auf ihrem Topniveau ist. Auch wenn dafür Erfolgserl­ebnisse wichtig seien, könne es passieren, dass sie für dieses Ziel Weltcups auslässt, sagte Herrmann-Wick.

In ihrem Schatten könnte sich Vanessa Voigt endgültig als nächste Deutsche in der Weltspitze etablieren. Bei Olympia verpasste sie eine Medaille im Einzel ganz knapp. Im Weltcup ist sie eine Kandidatin für die Top Ten. „Ich weiß selber, dass die Ansprüche an mich sehr hoch sind, aber auch, dass meine Ansprüche noch mal höher sind“, sagt Voigt. In der Staffel will sie bei der WM in jedem Fall vertreten sein, „und natürlich auch im Gesamtwelt­cup die Top 15 anpeilen.“

Franziska Preuß, die in der vergangene­n Saison vor allem von Verletzung­en zurückgewo­rfen wurde, will ebenfalls wieder in der Weltspitze angreifen. Außerdem werden Juliane Frühwirt und Anna Weidel zum Start dabei sein. Vanessa Hinz startet erstmal im zweitklass­igen IBU-Cup.

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FOTO: ANDERS WIKLUND/DPA Setzt in diesem Jahr wieder alles auf den Höhepunkt: Denise Herrmann-Wick richtet ihren gesamten Formaufbau auf die WM in Oberhof aus.

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