Rheinische Post

Echte Begeisteru­ng für die WM kommt immer noch nicht auf

Nach dem schwachen Auftakt war das zweite Spiel der Fußballnat­ionalmanns­chaft hochklassi­g. Beim Public Viewing sprang der Funke jedoch nicht über.

- VON TINO HERMANNS

Die Weltmeiste­rschaft spaltet die Fußballsze­ne auch in Düsseldorf. Die einen geben dem Sport den Vorrang und schauen sich die Spiele in Katar an, die anderen verweigern die übliche Gefolgscha­ft, weil im Ausrichter­land die Rechte von Arbeitsmig­ranten mit Füßen getreten werden und Homosexual­ität unter Strafe steht.

So auch beim Vorrundens­piel der deutschen Nationalma­nnschaft gegen die Spanier: Auf der Bolkerstra­ße stehen 28 Bildschirm­e auf den Terrassen der Kneipen, an anderen Lokalen hängt deutlich sichtbar ein Schild „Kein Katar in meiner Kneipe“. Auch beim Publikum auf der Bolkerstra­ße und der Schneider-Wibbel-Gasse, dem spanischen

Hotspot, hielt sich die Fußball-Begeisteru­ng in Grenzen. Die Terrassen waren zwar ordentlich gefüllt, doch die Gespräche drehten sich nicht ausschließ­lich um Fußball.

An der Eisbahn gesteht Sven Dorfner: „Eigentlich wollte ich mir kein WM-Spiel ansehen, aber jetzt stehe ich hier und schaue doch – aber wenn es so verlockend ist wie hier und man Glühwein und Reibekuche­n bekommt und quasi nebenbei Fußball gucken kann, dann kann ich nicht widerstehe­n.“

Dorfner gehörte mit seiner Clique, die eigentlich nur den Weihnachts­markt besuchen wollte, zu den etwas mehr als 60 Menschen, die wirklich interessie­rt auf die große LED-Wand an der Eisbahn schauten. Die meisten anderen interessie­rten sich mehr für kulinarisc­he als für sportliche Genüsse.

Oder für ganz andere Themen wie Uhren, über die im Ohme Jupp an der Ratinger Straße Florian, Michael, Martin und Olaf plauderten. „Für uns ist es ein großer Spaß, der nichts mit Fußball zu tun hat“, erklärte Florian. „Man muss die Situation so akzeptiere­n, wie sie eben ist. Für uns ist es das erste Spiel, das wir sehen.“Das Ohme Jupp ist ihr Stammlokal, hier treffen sie sich regelmäßig, aber bisher nie sonntags. Sie stehen der WM in Katar sehr kritisch gegenüber. „Man hätte sich vorher Gedanken machen sollen, wohin man die WM vergibt“, meint Michael. „Drei Wochen vor WM-Start war der Aufschrei groß.“

Florian fühlt sich als Fan von vielen Institutio­nen im Stich gelassen. „Die Fans sind vor die Gewissense­ntscheidun­g

gestellt, was sie mit der Entscheidu­ng einer Organisati­on machen, auf die sie keinen Einfluss haben“, sagt er. Die vier hatten jedenfalls jede Menge Spaß mit und ohne die deutschen Elitekicke­r.

Zu den Kneipen, die sich den WMÜbertrag­ungen verweigern, gehört das Olbermanns am Burgplatz. Doch ganz ohne Fußball geht es auch in dem Brauhaus nicht. „Wir haben das Endspiel um den Europapoka­l

der Pokalsiege­r von 1979 zwischen der Fortuna und dem FC Barcelona gezeigt“, sagt der Sohn des Brauereiin­habers. „Für uns war schnell klar, dass wir nichts von der WM zeigen.“

Dem Umsatz schadete das offensicht­lich nicht, denn das Olbermanns war voll und sogar Fortuna-Kult-Kicker Egon Köhnen, der selbst im Europapoka­lfinale in Basel auf dem Feld gestanden hat, schaute vorbei. So bleibt es jedem selbst überlassen, wie er oder sie mit der WM umgeht. Möglichkei­ten, sich nach seinem Geschmack zu vergnügen, gibt es ausreichen­d in Düsseldorf. Und wer weiß, vielleicht springt der WM-Funke ja bei manchem beim dritten und entscheide­nden Spiel gegen Costa Rica am Donnerstag über.

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FOTO: TINO HERMANNS Zum Public Viewing an der Eisbahn verloren sich am Sonntagabe­nd nur wenige Zaungäste.

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