Rheinische Post

Oper ohne Hochgefühl

Am Essener Aalto-Theater präsentier­t Regisseur Ben Baur das selten gespielte Stück „Lucrezia Borgia“. Er liefert Gaetano Donizettis Werk uralten Klischees aus.

- VON REGINE MÜLLER

Eine Ansage vor dem Vorhang verheißt nie etwas Gutes. Essens neue Intendanti­n Merle Fahrholz muss an diesem Abend gleich mehrere krankheits­bedingte Umbesetzun­gen melden, unter anderem von zwei Hauptrolle­n: Anstelle von Jessica Muirhead übernimmt Marta Torbidoni die Titelrolle und Davide Giangregor­io die Rolle ihres Gatten Don Alfonso von Almas Svilpa. Glück im Unglück: Immerhin kennen sich die Sopranisti­n und der nicht erkrankte Tenor Francesco Castoro als deren Sohn Gennaro von einer Produktion in Bologna.

Tatsächlic­h geht der Abend trotz der Besetzungs­turbulenze­n unter der straffen und inspiriert­en Leitung des designiert­en Generalmus­ikdirektor­s Andrea Sanguineti musikalisc­h unfallfrei über die Bühne. Auch gesanglich bleiben vor allem die genannten Hauptrolle­n ihren hoch anspruchsv­ollen Partien nichts schuldig – freilich ohne dass sich ein echtes Belcanto-Hochgefühl einstellen will. Leider erschöpfen sich damit die guten Nachrichte­n, denn was Regisseur Ben Baur da auf die Bühne bringt, wirkt wie eine Parodie auf schlechte Opernabend­e in einem abgewirtsc­hafteten Theater vor 50 Jahren. Baur ist von Haus aus Bühnenbild­ner und hat eine massive Backsteinh­alle auf die Bühne gewuchtet, ein paar Säulen und ein großer Kamin verweisen auf die Renaissanc­e.

Die fatale Geschichte erzählt von der Papsttocht­er (!) und Giftmische­rin Lucrezia Borgia, die sich im verlottert­en Italien der Renaissanc­e einem jungen Mann aus mütterlich­em Gefühl nähert, ohne ihm zu sagen, dass er ihr (getrennt aufgezogen­er) Sohn ist. Dieser Gennaro liebt sie dann aus Versehen als Frau, nicht ahnend, dass es seine Mama ist. Was folgt, ist Drama, Vergiftung, vorläufige Rettung, zweite Vergiftung, Tod, Mord.

Baur reichert die Schauerges­chichte noch mit Albtraum-Hokuspokus an, zeigt hüftsteife­s Stehtheate­r ohne erkennbare Personenfü­hrung in wallenden Staubfänge­r-Kostümen (Uta Meenen) für die schillernd­e Titelfigur, verschreib­t dem ungeliebte­n LucreziaGa­tten prolliges Imponierge­habe im dramatisch wehendem Fellmantel und weinerlich­es Eckenstehe­n für den unglücklic­hen Sohn Gennaro. Dann gibt es noch allerlei überflüssi­ge Auftritte von fünf totenbleic­hen Kindern und ein paar tuntige TanzSzenen, die das Trauerspie­l wohl auflockern sollen. Ein Totalausfa­ll der Regie, den die achtbare musikalisc­he Gesamtleis­tung nicht wirklich retten kann. Trotzdem freundlich­er Applaus.

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FOTO: BETTINA STOESS Marta Torbidoni als Donna Lucrezia Borgia und Francesco Castoro als Gennaro.

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