Für sichere Energie setzt Wüst auf den Westen
Nach dem Ausfall des russischen Gases aus dem Osten denkt Deutschland beim Ersatz vor allem an den Norden und den Süden. Unter Hochdruck werden in Wilhelmshaven, Brunsbüttel, Stade und Lubmin Terminals für die Abfertigung von Tankern mit Flüssiggas gebaut, mit Nachdruck versucht die Bundesregierung, in Afrika und Asien neue Gaslieferanten zu gewinnen. Aus NRW-Sicht liegt eine andere Zuleitung näher: „Die Sicherung unserer Energieversorgung erfordert auch den Blick nach Westen“, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst unserer Redaktion. Und diesen Blick warf Wüst am Mittwoch selbst ganz konkret auf das Flüssiggas-Terminal des Unternehmens „Fluxys“an der belgischen Nordseeküste.
Die Reise in den Westen war begleitet von hohen Erwartungen und tiefem Frust. Nach seinen Kurzvisiten in den Niederlanden und in Belgien stand für den Regierungschef fest: „Zwei Rettungsanker für die Versorgungssicherheit des Industrielandes NRW liegen in Zeebrugge und Rotterdam.“Die Zusammenarbeit mit den Energiepartnern im Benelux-Raum habe noch weiteres, erhebliches Potenzial. Allerdings liefen die Pipelines aus Belgien und den Niederlanden schon jetzt am Anschlag, um den Ausfall russischen Gases auszugleichen. Um noch mehr Gas über Zeebrugge zu bekommen, müsse die Pipeline ausgebaut werden. „Die belgische Seite reicht uns dafür die Hand“, berichtete Wüst.
Doch noch hat der Bund die entsprechenden Vermarktungskapazitäten nicht angepasst. NRW wartet seit Monaten darauf. „Der Bund sollte seine abwartende Haltung zu diesem Zukunftsprojekt aufgeben und seine Realisierung durch die erforderlichen Zusagen endlich ermöglichen“, forderte der CDU-Politiker. Beim Ausbau und Teil-Neubau von Gaspipelines sind die Experten vorsichtig geworden. Fossile Energieträger wie Gas sollen beschleunigt abgebaut werden. Reine Gaspipelines gelten daher als wenig zukunftsfest. Dagegen verweist Wüst darauf, dass die Pipeline so konzipiert werden soll, dass sie zwar zunächst LNG, also Flüssiggas, nach NRW bringt, dass sie danach aber auch zum Transport von Wasserstoff dienen kann.
Vor allem grüner, also mit dem Einsatz regenerativer Energien hergestellter Wasserstoff gilt als Schlüssel für den klimaschonenden, dann klimaneutralen Umbau der NRWIndustrie. Die Entfernungen aus NRW-Perspektive sprechen daher für sich: Wasserstoff aus Lubmin müsste bis Duisburg gut 670 Kilometer fließen, Wasserstoff aus Zeebrugge dagegen nur knapp 300 Kilometer.
Der Besichtigung an der Küste folgten am Nachmittag belgischnordrhein-westfälische Regierungskonsultationen, wie es Wüst bei seinem Antrittsbesuch mit Ministerpräsident Alexander De Croo Anfang des Jahres verabredet hatte. Thema vor allem: der Ausbau der energiepolitischen Zusammenarbeit.