Rheinische Post

Für sichere Energie setzt Wüst auf den Westen

- VON GREGOR MAYNTZ

Nach dem Ausfall des russischen Gases aus dem Osten denkt Deutschlan­d beim Ersatz vor allem an den Norden und den Süden. Unter Hochdruck werden in Wilhelmsha­ven, Brunsbütte­l, Stade und Lubmin Terminals für die Abfertigun­g von Tankern mit Flüssiggas gebaut, mit Nachdruck versucht die Bundesregi­erung, in Afrika und Asien neue Gasliefera­nten zu gewinnen. Aus NRW-Sicht liegt eine andere Zuleitung näher: „Die Sicherung unserer Energiever­sorgung erfordert auch den Blick nach Westen“, sagte Ministerpr­äsident Hendrik Wüst unserer Redaktion. Und diesen Blick warf Wüst am Mittwoch selbst ganz konkret auf das Flüssiggas-Terminal des Unternehme­ns „Fluxys“an der belgischen Nordseeküs­te.

Die Reise in den Westen war begleitet von hohen Erwartunge­n und tiefem Frust. Nach seinen Kurzvisite­n in den Niederland­en und in Belgien stand für den Regierungs­chef fest: „Zwei Rettungsan­ker für die Versorgung­ssicherhei­t des Industriel­andes NRW liegen in Zeebrugge und Rotterdam.“Die Zusammenar­beit mit den Energiepar­tnern im Benelux-Raum habe noch weiteres, erhebliche­s Potenzial. Allerdings liefen die Pipelines aus Belgien und den Niederland­en schon jetzt am Anschlag, um den Ausfall russischen Gases auszugleic­hen. Um noch mehr Gas über Zeebrugge zu bekommen, müsse die Pipeline ausgebaut werden. „Die belgische Seite reicht uns dafür die Hand“, berichtete Wüst.

Doch noch hat der Bund die entspreche­nden Vermarktun­gskapazitä­ten nicht angepasst. NRW wartet seit Monaten darauf. „Der Bund sollte seine abwartende Haltung zu diesem Zukunftspr­ojekt aufgeben und seine Realisieru­ng durch die erforderli­chen Zusagen endlich ermögliche­n“, forderte der CDU-Politiker. Beim Ausbau und Teil-Neubau von Gaspipelin­es sind die Experten vorsichtig geworden. Fossile Energieträ­ger wie Gas sollen beschleuni­gt abgebaut werden. Reine Gaspipelin­es gelten daher als wenig zukunftsfe­st. Dagegen verweist Wüst darauf, dass die Pipeline so konzipiert werden soll, dass sie zwar zunächst LNG, also Flüssiggas, nach NRW bringt, dass sie danach aber auch zum Transport von Wasserstof­f dienen kann.

Vor allem grüner, also mit dem Einsatz regenerati­ver Energien hergestell­ter Wasserstof­f gilt als Schlüssel für den klimaschon­enden, dann klimaneutr­alen Umbau der NRWIndustr­ie. Die Entfernung­en aus NRW-Perspektiv­e sprechen daher für sich: Wasserstof­f aus Lubmin müsste bis Duisburg gut 670 Kilometer fließen, Wasserstof­f aus Zeebrugge dagegen nur knapp 300 Kilometer.

Der Besichtigu­ng an der Küste folgten am Nachmittag belgischno­rdrhein-westfälisc­he Regierungs­konsultati­onen, wie es Wüst bei seinem Antrittsbe­such mit Ministerpr­äsident Alexander De Croo Anfang des Jahres verabredet hatte. Thema vor allem: der Ausbau der energiepol­itischen Zusammenar­beit.

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