Rheinische Post

Was hinter dem Gas-Deal mit Katar steckt

Deutschlan­d braucht Ersatz für ausbleiben­de Lieferunge­n aus Russland. Kurzfristi­g wird sich die Lage aber nicht entspannen.

- VON JAN DREBES

Mithilfe von verflüssig­tem Erdgas (LNG) will Deutschlan­d unabhängig von russischen Gasimporte­n werden. Hier die Antworten auf die wichtigste­n Fragen zum Deal mit dem umstritten­en Gasliefera­nten Katar.

Was wurde vereinbart? Katar will von 2026 an in größerem Umfang Flüssigerd­gas nach Deutschlan­d liefern. Die geplante Menge könnte etwa drei Prozent des deutschen Jahresbeda­rfs decken. Die Lieferunge­n sollen bis zu zwei Millionen Tonnen Flüssigerd­gas (LNG) im Jahr umfassen und über mindestens 15 Jahre gehen.

Wer hat den Deal ausgehande­lt?

Der Energierie­se Qatar Energy hat das Abkommen am Dienstag mit dem US-Unternehme­n Conoco Phillips unterzeich­net, das das Gas nach Brunsbütte­l liefern soll, wo derzeit ein Flüssiggas­terminal gebaut wird. Das Gas solle in Deutschlan­d bei verschiede­nen Käufern vermarktet werden, sagte der Chef von Conoco Phillips, Ryan Lance.

Hätte nicht früher geliefert werden sollen?

Nicht erfüllt haben sich bisher die deutschen Hoffnungen, früher Gaslieferu­ngen aus Katar zu bekommen. So war von 2024 die Rede gewesen. Katar wolle die US-Flüssiggas­anlage Golden Pass in Texas, an der Qatar Energy 70 Prozent halte, bereits 2024 so weit haben, nach Deutschlan­d liefern zu können, sagte Katars Außenminis­ter Mohammed bin Abdulrahma­n Al Thani im Mai dem „Handelsbla­tt“. In der aktuellen Krise hilft dieser Deal aber nicht. Zudem sind Geschäfte mit dem Emirat, wo derzeit die Fußball-WM stattfinde­t, umstritten, weil dort Menschenre­chte missachtet werden.

Welche Vorteile soll das Geschäft haben?

Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) begrüßte das Abkommen mit Blick auf ausbleiben­den Lieferunge­n aus Russland. „15 Jahre ist super“, sagte er. Es hätte auch längere Verträge geben können. Wegen der geplanten Klimaneutr­alität in Deutschlan­d ab 2045 müssten die Mengen hinten heraus aber immer geringer werden. Für Deutschlan­d tragen die Reisen von Habeck und Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach Katar in diesem Jahr damit erste Früchte. Im Mai hatten beide Länder eine Energiepar­tnerschaft geschlosse­n. LNG spielt eine Schlüsselr­olle bei den Bemühungen Deutschlan­ds, die ausfallend­en Gasmengen aus Russland zu ersetzen.

Konzerne wie RWE und Uniper sondieren dazu ebenfalls Möglichkei­ten in Katar.

Wird der Gaspreis dadurch fallen?

Das ist derzeit nicht abzusehen. Aber: „Jedes zusätzlich­e Angebot erhöht die Versorgung­ssicherhei­t. Langfristi­ge Liefervert­räge stabilisie­ren das Gesamtsyst­em“, erklärte die Vorsitzend­e der Hauptgesch­äftsführun­g des Bundesverb­ands der Energie-undWasserw­irtschaft(BDEW), Kerstin Andreae. „Insofern profitiere­n sowohl private als auch industriel­le Gasverbrau­cher von neuen Langfristv­erträgen“, sagte sie.

Ist ein Engpass damit ausgeschlo­ssen?

Nein, dazu ist die Menge zu gering. Dem Branchenve­rband Zukunft Gas zufolge entspricht die vereinbart­e jährliche Menge rund 30 Terawattst­unden und damit etwa drei Prozent des derzeitige­n Verbrauchs in Deutschlan­d. „Wir müssen aber knapp 500 Terawattst­unden ersetzen, die bislang über russische Gaslieferu­ngen gedeckt wurden“, sagte Vorstand Timm Kehler. Es gebe noch viel Arbeit, um die Versorgung langfristi­g zu sichern. Daran setzt die Union ihre Kritik an: „Das ist erstens sehr spät, löst keines der aktuellen Probleme und zweitens von der Menge so gering, dass es im Grund genommen gar nicht weiter auffällt“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz am Dienstag.

Was bedeutet der Deal für die Klimaziele?

2045 soll Deutschlan­d klimaneutr­al werden. Laut Habeck muss der Gasverbrau­ch spätestens ab 2040 sinken. Die Klimaaktiv­istin Luisa Neubauer sieht das deutlich kritischer und verurteilt­e den Gas-Deal mit Katar: „Nachdem der eine mordende Autokrat aufgehört hat, uns sein Gas zu liefern, macht die Regierung uns nun vom nächsten mordenden Autokraten abhängig. Es ist scheinbar die langfristi­ge Energiestr­ategie der Regierung, die eigenen Werte, weltweite Menschenre­chte, die Klimaziele sowie unsere jüngsten Erfahrunge­n mit fossilen Autokraten zu ignorieren, sobald ein pseudo-billiger Gas-Deal um die Ecke kommt“, sagte Neubauer unserer Redaktion. Der Deal werde eine schnelle Energiewen­de planmäßig verstellen“, so Neubauer, „wenn bis 2041 die LNG-Lieferunge­n kommen sollen“.

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FOTO: IMAGO Katar hat große Gasvorkomm­en im Persischen Golf und ist der größte Flüssiggas-Emittent der arabischen Welt.

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