Rheinische Post

Merz kontert mit Angebot

In der Diskussion um das Staatsbürg­erschaftsr­echt formuliert der CDU-Chef eine Bedingung. Die Ampel wirft der Union vor, sie wolle zurück in die 1990er-Jahre.

- VON HAGEN STRAUSS

Ein Geist schwebt derzeit durch das politische Berlin, einer aus den 90er-Jahren. Gesehen oder wohl eher gespürt von der Ampel, vor allem von den Grünen. Der Geist hat auch einen Namen: Roland Koch. Der frühere hessische Ministerpr­äsident und CDU-Politiker, inzwischen als Anwalt tätig, machte sich im hessischen Wahlkampf 1999 mit einer Unterschri­ftenaktion gegen die doppelte Staatsbürg­erschaft bekannt – und er gewann bei der Wahl.

Friedrich Merz wolle offenbar zurück in die 1990er-Jahre, schimpfte am Dienstag die Fraktionsc­hefin der Grünen, Katharina Dröge. Er stelle „Ideologie und Kampagne über das, was das Land benötigt“. Der Vorwurf sei „völliger Unsinn“, hieß es aus der Union. Ganz so verhärtet, wie es scheint, sind die Fronten zwischen Regierung und Opposition bei der Reform der Staatsbürg­erschaftsr­echts aber nicht.

Schon am Montag waren Vertreter der Ampel fleißig dabei, der Union erneut Blockade vorzuwerfe­n. Bei den Pressekonf­erenzen wurde erst auf Nachfrage auf den Umstand eingegange­n, dass auch innerhalb der Koalition das Thema umstritten ist – so hatte FDP-Generalsek­retär Bijan Djir-Sarai unserer Redaktion gesagt, es sei nicht die Zeit für eine Vereinfach­ung. Eine „Entwertung“der Staatsbürg­erschaft werde die FDP nicht mitmachen. Der Liberale

entfachte damit einen koalitions­internen Sturm. Hinter den Kulissen hieß es bei der FDP, das Timing sei schlecht, gerade weil es nur Eckpunkte und keinen Gesetzentw­urf gebe. Die Angriffe auf die Opposition, die zuvor mit deftigen Worten davor gewarnt hatte, die Einbürgeru­ng nicht zu „verramsche­n“, wurden in der Union dann auch als Ablenkungs­manöver gewertet.

Schwere Geschütze fuhr am Dienstag auch Grünen-Parteichef Omid Nouripour auf. „Friedrich

Merz zeigt einmal mehr, dass die Union ihren Kompass in der Wirtschaft­spolitik verloren hat“, sagte Nouripour unserer Redaktion. Damit Made in Germany aber eine Zukunft habe, brauche es eine Wirtschaft­spolitik mit Weitsicht. „Das heißt: eine günstige, unabhängig­e und sichere Energiever­sorgung und genügend qualifizie­rte Arbeitskrä­fte, keine Debatten von gestern.“Der Gescholten­e ließ die Vorwürfe nicht gelten. „Es hat in den letzten Jahren eine ganze Reihe von deutlichen Verbesseru­ngen der Einwanderu­ng in den Arbeitsmar­kt in Deutschlan­d gegeben. Und diese Verbesseru­ngen tragen allesamt die Handschrif­t der Union“, wehrte Merz vor der Sitzung seiner Fraktion ab. Es hieß, man habe für viel Flexibilit­ät etwa beim Bleiberech­t gesorgt; auch habe Deutschlan­d laut OECD eines der modernsten Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetze. Jetzt gelte es, sagte die wirtschaft­spolitisch­e Sprecherin der Fraktion, Julia Klöckner (CDU), unserer Redaktion, diese Regelungen anzuwenden und „die Außenhande­lskammern besser bei der berufliche­n Vorprüfung im Zuge der Visavergab­en einzubezie­hen, um schneller zu werden“.

Merz betonte weiter, man müsse auch in Zukunft sorgfältig umgehen mit der deutschen Staatsbürg­erschaft. Sie sei etwas „sehr wertvolles“, die Vergabe müsse „sehr behutsam“vorgenomme­n werden. Aber auch das sagte der Fraktionsc­hef: „Wir verschließ­en uns einer weiteren Modernisie­rung des Einwanderu­ngsund des Staatsbürg­erschaftsr­echts nicht.“Das klang nach Angebot. Man lege aber Wert darauf, formuliert­e Merz eine Bedingung, dass sie am Ende eines Integratio­nsprozesse­s liege und nicht am Anfang. Das betonten in der Debatte viele Unionspoli­tiker. Nach Angaben des Innenminis­teriums muss der Bundesrat dem Gesetz – bisher liegen nur Eckpunkte vor – aber nicht zustimmen. Anders als beim Bürgergeld hat die Union diesen Hebel also offenbar nicht.

„Friedrich Merz zeigt einmal mehr, dass die Union ihren Kompass in der Wirtschaft­spolitik verloren hat“

Omid Nouripour Parteichef der Grünen

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