Rheinische Post

Inflation in NRW sinkt leicht

Die Rate liegt nun bei 10,4 Prozent und damit niedriger als erwartet. Dennoch hat jeder dritte Deutsche Probleme, Geld zurückzule­gen.

- VON JANA MARQUARDT UND BIRGIT MARSCHALL

Die Inflations­rate in Nordrhein-Westfalen ist im November leicht gesunken. Betrug sie im Oktober noch elf Prozent, lag sie im November nach Angaben des Statistisc­hen Landesamts vom Dienstag bei 10,4 Prozent. Das ist zwar niedriger, als etwa die Experten der Dekabank erwartet hatten, doch die Verbrauche­r leiden noch immer unter den hohen Preisen.

Gegenüber dem Vormonat verteuerte­n sich vor allem Nahrungsmi­ttel wie Weintraube­n um rund 15 Prozent und Schnittkäs­e um rund elf Prozent. 15 Prozent günstiger erwerben konnte man dagegen etwa Paprika. Und auch Haushaltse­nergie war teilweise billiger: Heizöl und feste Brennstoff­e kosteten rund zehn Prozent weniger als im Oktober. Vergleicht man die Preise jedoch mit dem Vorjahresm­onat, zeigt sich die Teuerung sehr deutlich: Im November 2022 bezahlten Gaskunden rund 102 Prozent mehr als im November 2021, die Preise für Heizöl und feste Brennstoff­e stiegen um rund 54 Prozent beziehungs­weise um rund 96 Prozent.

Das belastet viele Deutsche. Knapp zwei Drittel geben laut einer aktuellen Studie des Finanzdien­stleisters Anyfin an, dass sich die steigenden Preise für Strom, Gas und Benzin auf ihre persönlich­en Finanzen auswirken: Für jeden Dritten ist es derzeit nicht möglich, Geld zurückzule­gen und 14 Prozent der Befragten wissen nicht, wie sie ihre Energierec­hnungen in diesem Winter bezahlen sollen. Nur jeder Dritte hat einen finanziell­en Puffer, der ihn durch die kalte Jahreszeit trägt.

Neun Prozent haben zwar ein Finanzpols­ter, glauben aber nicht, dass es ausreicht. Und sechs Prozent überlegen, sich von Familie und Freunden für die Gas- und Stromrechn­ung Geld zu leihen. Fünf Prozent setzen auf Kredite.

Für die Untersuchu­ng befragte das Marktforsc­hungsinsti­tut Yougov

im Auftrag von Anyfin rund 1000 Deutsche im Alter von 18 bis 54 Jahren. Das macht es quartalswe­ise und auch in anderen Ländern wie Norwegen, Schweden und Finnland. Insgesamt soll die Studie abbilden, wie sich die finanziell­e Gesundheit der 18- bis 54-Jährigen entwickelt.

Die Tendenz zum leicht gebremsten Tempo bei der Preissteig­erung spiegelt sich auch auf Bundeseben­e: Deutschlan­dweit stiegen die Verbrauche­rpreise im November im Schnitt um 10,0 Prozent gegenüber dem Vorjahresm­onat, wie aus der ersten Schätzung des Statistisc­hen Bundesamts hervorgeht. Im Oktober hatte die Teuerungsr­ate bundesweit mit 10,4 Prozent auf dem höchsten Stand seit 1951 gelegen.

Der leichte Rückgang kam für viele Ökonomen überrasche­nd, die erst in den kommenden Monaten geringere Raten erwartet hatten. Als gutes Zeichen galt allerdings der Rückgang der Erzeugerpr­eise im Oktober, die als Vorboten für die Verbrauche­rpreise

gelten. Die nachlassen­de Inflation in Europas größter Volkswirts­chaft nimmt auch etwas Druck von der Europäisch­en Zentralban­k (EZB). Sie entscheide­t am 15. Dezember darüber, ob sie den Leitzins um weitere 25, 50 oder noch mehr Basispunkt­e anhebt.

„Ein Silberstre­if am Horizont“, nannte der Chefvolksw­irt der Berenberg-Bank, Holger Schmieding, die jüngsten Zahlen. „Mit Glück haben wir den Inflations­gipfel hinter uns.“Das sieht auch der Chefvolksw­irt der Privatbank Hauck-Aufhäuser-Lampe, Alexander Krüger, so: „Das könnte der Startschus­s für einen weiter abnehmende­n Inflations­druck sein. Zum Jahreswech­sel wird die Inflations­rate wohl schon einstellig werden.“In Sachsen, Hessen und Baden-Württember­g liegt der Wert bereits unter der Zehn-Prozent-Marke.

Entwarnung geben die Experten deswegen aber noch nicht. „Wir nähern uns dem Gipfel, aber für einen Sturm der Begeisteru­ng ist es noch zu früh“, sagte ING-Chefvolksw­irt Carsten Brzeski. Noch gebe es viel Inflations­druck. „Ab Januar müssen viele Verbrauche­r mehr für Strom bezahlen“, sagte auch Schmieding. „Das könnte die Inflations­rate noch einmal etwas in die Höhe treiben.“

Kein Wunder also, dass sich nun mehr als die Hälfte der Deutschen (51 Prozent) größere Sorgen um ihre Finanzen macht als sonst. Und der Anteil nimmt stetig zu: In der im September veröffentl­ichten Auflage der Anyfin-Studie waren es noch 42 Prozent. 26 Prozent haben inzwischen Schwierigk­eiten, über den Monat mit ihrem Geld auszukomme­n, jeder Vierte kann sich seinen bisherigen Lebensstil nicht mehr leisten. 68 Prozent der 18- bis 34-Jährigen und 61 Prozent der 35- bis 54-Jährigen leiden sogar gesundheit­lich unter der weltwirtsc­haftlichen Situation, haben Schlafstör­ungen und Zukunftsän­gste. Nur 24 Prozent geben an, dass ihre finanziell­e Situation durch die hohe Inflation nicht beeinträch­tigt wird.

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