Rheinische Post

Schwere Zeiten für Marktbesch­icker

In der Pandemie gab es für Wochenmärk­te einen großen Zulauf. Jetzt wird alles teurer, vielfältig­e Krisen machen den Menschen zu schaffen. Wie wirkt sich das auf die Märkte aus?

- VON JULIA NEMESHEIME­R

In ganz Düsseldorf gibt es 25 Wochenmärk­te, die für frische, regionale Waren sorgen. Doch wie wirken sich die vielfältig­en Krisen auf die Verbrauche­r und ihr Kaufverhal­ten aus? In Eller und Oberbilk berichten die Händler jeweils unterschie­dlich – allerdings gibt es bei beiden Märkten auch Unterschie­de. Während in Eller auf dem Getrudispl­atz von Dienstag bis Samstag die gleichen Händler bis in den späten Nachmittag stehen, wechselt am Oberbilker Markt das Angebot häufiger.

„Unser Brotwagen kommt nur dienstags und freitags“, erzählt Beate Abatschi, die für die Prümtaler Mühlenbäck­erei an anderen Tagen auch in Flingern und Mettmann steht. „Die Leute brauchen trotzdem Brot und viele kommen gezielt, um uns zu unterstütz­en“, sagt sie. Man merke aber, dass das Trinkgeld weniger geworden sei, ganz so locker sei das Geld nicht mehr. Trotzdem bilden sich um die Mittagszei­t vor den Ständen – in Oberbilk stehen ein Metzger, ein Fischhändl­er, ein Gemüsestan­d, ein Dönerwagen, ein Wagen mit libanesisc­he Spezialitä­ten sowie ein Blumenstan­d – längere Schlangen. Die meisten machen um 13 Uhr zu. Nur Abatschi steht bis etwa 16 Uhr noch auf dem Platz.

„Hier weiß ich, dass alles noch handgemach­t ist“, erklärt eine Kundin. Deshalb komme sie immer dienstags zum Brotkauf auf den Markt. „Wenn mich etwas anlacht, kaufe ich noch bei anderen Händlern. Aber das Gemüse ist mir hier zu teuer, das bekomme ich im Laden günstiger“, sagt sie weiter. Auch andere Kunden geben an, dass sie nur für ausgewählt­e Sachen auf dem Markt einkaufen – auch um regionale Waren zu bekommen und die Händler zu unterstütz­en.

Am Blumenstan­d von Regina Bahr hat sich keine lange Schlange gebildet. Trotzdem: „Noch kommen die Kunden, das liegt sicher auch an der Weihnachts­zeit.“Dennoch werde hier am ehesten gespart, „Blumen braucht man nicht unbedingt“.

Anders sieht es in Eller aus. Dort stehen Steffi Steffen (deren Mann an zwei Tagen in Oberbilk steht) mit ihrer Metzgerei, Geflügelho­f Ingenbleek und Obst Knell an jedem Markttag auf dem Gertrudisp­latz. „Die Kunden werden weniger, aber die Stände auch“, meint Steffen. Aktuell falle der Blumenstan­d krankheits­bedingt aus, andere Händler seien in Rente gegangen. Frühes Aufstehen und bei Wind und Wetter draußen zu stehen – dazu sei kaum noch jemand bereit.

Während der Pandemie hatte es einen regelrecht­en Ansturm auf die Wochenmärk­te gegeben: Draußen einkaufen schien vielen sicherer, gleichzeit­ig hatten viele mehr Zeit im Homeoffice und wollten regionaler kaufen. „Diese hohe Nachfrage hat sich allerdings wieder gelegt“, sagt sie. Die meisten seien zurück in die Supermärkt­e. Daher habe sich auch an der Altersstru­ktur wenig geändert: „Viele, die kommen, sind ältere Menschen, junge Familien sieht man hier wenige“, erzählt Steffi Steffen. Das Geld sitze bei allen knapp, daher würden viele ausgewählt­er einkaufen und seltener kommen. Dabei nimmt der Markt auch eine wichtige soziale Funktion ein. Man kennt die Stammkunde­n, kommt mit ihnen ins Gespräch, tauscht sich aus.

Schräg gegenüber steht der Stand vom Geflügelho­f Ingenbleek aus Kevelaer. „Wir merken, das unheimlich viel ineinander greift“, erklärt der Verkäufer hier, dessen Name nicht in die Zeitung soll. „Die Gänse legen anders Eier, weil sie die Jahreszeit­en nicht mehr auseinande­r halten können.“Als Folge gibt es nicht genügend Jungtiere oder sie kommen zu unpassende­n Zeiten. Die Sommer seien zu trocken, die Tiere fänden dann nicht genug zu fressen, man müsse zufüttern: „Aber die Preise für Getreide sind explodiert.“Ähnlich sei es mit den Energiekos­ten, die nicht nur auf dem Hof, sondern auch im Marktstand anfallen. „Wir verbrauche­n hier etwa so viel wie ein Vier-Personen-Haushalt.“Noch sei es tragbar, aber die Endpreise stiegen dennoch.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Steffi Steffen steht von dienstags bis samstags auf dem Wochenmark­t in Eller. Man merke, dass das Geld der Kunden weniger locker sitze.

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