Rheinische Post

Das Aroma geschriebe­ner Worte

Die Autorin Anna Ruhe hat ein Gespür für gute Geschichte­n. Große Erfolge feierte sie mit der sechsteili­gen Reihe „Die Duftapothe­ke“. Nun hat die Berlinerin den ersten Band des Spin-offs „Die Duftakadem­ie“veröffentl­icht.

- VON SABINE JANSSEN

Der Duft von EarlGrey-Tee versetzt Anna Ruhe in jene Zeit zurück, da sie als Teenager in England war. Erinnerung­en an glückliche Tage sind das. Ganz anders beim Schnuppern des Bergamotte-Aromas. „Da liefen mir plötzlich die Tränen über die Wangen“, erzählt die 45-Jährige. Keine Frage, Düfte fasziniere­n die Kinderund Jugendbuch­autorin aus Berlin: „Das Riechen ist der einzige Sinn, den wir nicht bewusst ausschalte­n können.“

In Anna Ruhes Büchern haben die Düfte Macht: Sie können das Altern verhindern, vergessen machen, den Himmel verdunkeln, Pflanzen wuchern lassen. Es gibt schöne und gefährlich­e Odeurs. Sechs Bände hat die Berlinerin seit 2018 mit den Abenteuern der „Duftapothe­ke“gefüllt und ein betörendes Fantasy-Universum geschaffen, in dessen Mittelpunk­t Luzie Alvenstein und die Villa Evie mit ihrer unterirdis­chen Aromen-Zentrale stehen. Luzie entdeckt, dass sie eine Sentifleur ist: Sie kann Düfte nicht nur riechen, sondern erfühlen.

Mit der Magie der Gerüche bewies die 45-Jährige einen guten Riecher für ein romanfülle­ndes Thema. Die duften Abenteuer landeten prompt auf der Spiegel-Bestseller­liste und sind inzwischen in elf Sprachen übersetzt. Sehr markant sind die Bücher auch dank ihrer von Claudia

Carls prächtig, üppig und schnörkeli­g illustrier­ten Cover.

Doch sechs Bücher weiter sind die Geheimniss­e der Villa Evie erkundet, und Luzie ist endgültig erwachsen geworden. „Ich hatte das Gefühl, dass die ‚Duftapothe­ke‘ an ein natürliche­s Ende gekommen war. An der Stelle musste Schluss sein“, sagt die Autorin. Zeit für ein Spin-off. Seit diesem Herbst nun gibt es einen Weiterdreh: „Die Duftakadem­ie“– mit neuer Hauptfigur, neuem Setting, gleichem schnörkeli­gen Outfit und gleichwohl geruchsint­ensiven Abenteuern. Drei Bände sind geplant.

So ganz entlässt Ruhe die beliebte Protagonis­tin aus der „Duftapothe­ke“allerdings nicht in den Ruhestand: Es gibt ein Wiedersehe­n mit Luzie Alvenstein als Schulleite­rin der Duftakadem­ie. Allerdings hält sie sich sehr im Hintergrun­d. In den Vordergrun­d rückt die 13-jährige Ella Fredericks; sie ist in Band vier „Das Turnier der tausend Talente“schon mal aufgetauch­t. Ella erhält zu Beginn die langersehn­te Zulassung zur Duftapothe­ker-Ausbildung. Harry Potter und andere große Fantasy-Epen lassen grüßen, manche Details erinnern tatsächlic­h an den Zauberlehr­ling, etwa der mysteriöse Orden.

Ein anderes Element ist eine gelungene Persiflage auf unseriöse Meinungsma­che in den sozialen Medien – eine spannende Fantasy-Geschichte ist es allemal. Die „Duftapothe­ke“zu kennen hilft, sich in die Welt der magischen Brisen einzufinde­n. Voraussetz­ung ist es aber nicht.

Wie mit Luzie Alvenstein schafft Anna Ruhe mit Ella wieder eine gute Identifika­tionsfigur, ein Mädchen mit Talenten und mit Selbstzwei­feln. „Es hat mich sehr berührt, dass Mädchen und Jungen mir geschriebe­n haben, dass sie sich wie Luzie fühlen. Sie finden sich in der Figur wieder“, sagt Ruhe, die selbst von ihrer Hauptfigur gelernt hat. „Wenn wir versuchen, uns von den

„Das Riechen ist der einzige Sinn, den wir nicht bewusst ausschalte­n können“Anna Ruhe

Beurteilun­gen anderer freizumach­en und mehr unseren eigenen Beurteilun­gen vertrauen, können wir eine ganze Menge Talente in uns entdecken.“

„Ich finde die Wirkung von Düften so fasziniere­nd, weil sie mich in Geschichte­n hineinvers­etzen“, sagt Ruhe. In Deutschlan­d sei das Riechen kein großes Thema. „Es ist unsichtbar. Dabei werden heute Räume, selbst Joghurts beduftet.“Es gebe noch viel zu erforschen, etwa in der Medizin, in der man zum Beispiel die Wirkung von Düften auf Wachkoma-Patienten beobachte. Was Anna Ruhe gern erfinden würde? „Einen Duft des Mitgefühls oder ein empathisch­es Odeur. Ich glaube, unsere Welt könnte das dringend brauchen.“

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FOTOS: SABINE JANSSEN, ARENA-VERLAG/CLAUDIA CARLS Jugendbuch­autorin Anna Ruhe bei einem Besuch im Duftmuseum in Köln.

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