Rheinische Post

Zünglein an der Waage

Spanien und Japan entscheide­n mit, ob Deutschlan­d bei der WM weiterkomm­t. Den Iberern würde ein Remis reichen.

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AL-RAJJAN (dpa) Bei der „Schande von Gijon“war Luis Enrique zwölf Jahre alt und wahrschein­lich nicht weit weg von jenem Stadion, in dem Deutschlan­d und Österreich vor gut 40 Jahren ein skandalöse­s Kapitel WM-Geschichte schrieben. Spaniens Nationaltr­ainer ist in der asturische­n Küstenstad­t geboren und aufgewachs­en, in seiner Heimat spricht man von der „Desgracia de Gijón“. Als Folge daraus sind die letzten Gruppenspi­ele bei einer WM längst gleichzeit­ig angesetzt was die Rechnereie­n und Spekulatio­nen in der Deutschlan­d-Gruppe vor dem letzten Spieltag natürlich nicht verhindert.

Spanien will gegen Japan am Donnerstag (20 Uhr/MagentaTV) „auf Sieg spielen“, stellte Luis Enrique klar. „Wir werden uns nicht auf Spekulatio­nen einlassen“, versprach Stürmer Dani Olmo von RB Leipzig im „Marca“-Interview. „Mit einem Sieg stehen wir im Achtelfina­le

und das ist das Ziel.“

Jede andere Ankündigun­g würde auch einen größeren Aufruhr in Katar und der Fußball-Welt auslösen. So wie damals 1982, als sich bei der WM in Spanien Spieler wie Paul Breitner, Lothar Matthäus und Manfred Kaltz auf der einen und Hans Krankl und Herbert Prohaska auf der anderen Seite den Ball zuschoben, weil das 1:0 durch Horst Hrubesch beiden Teams zum Weiterkomm­en reichte. Algerien war damit trotz eines 3:2 zuvor gegen Chile raus.

Ein Unentschie­den gegen Japan würde nun Luis Enrique und Spanien in Katar zum Einzug ins Achtelfina­le reichen - wäre aber für das deutsche Team weniger hilfreich als ein Sieg. Deshalb haben auch Olmo und Dani Carvajal ihren Clubkolleg­en Antonio Rüdiger (Real Madrid) und David Raum und Lukas Klosterman­n (Leipzig) Schützenhi­lfe zugesagt.

„Es ist nicht Teil unserer Mentalität,

auf dem Platz spazieren zu gehen oder ein 1:0 zu verteidige­n. Und das ist etwas, was diese Mannschaft vermittelt“, sagte Luis Enrique. Der 52-Jährige hatte schon direkt nach dem 1:1 gegen Deutschlan­d versichert: „Wir werden spielen, um zu gewinnen.“Dabei würde La Roja sogar eine Niederlage zum Weiterkomm­en reichen - wenn Deutschlan­d gegen Costa Rica gewinnt, aber nicht die aktuell um acht Treffer bessere Tordiffere­nz aufholt. Gewinnt aber überrasche­nd Costa Rica, wäre Spanien ganz raus.

„Jetzt müsst ihr auch für Deutschlan­d gewinnen“, soll der deutsche Abwehrchef Antonio Rüdiger zu seinem Real-Madrid-Kollegen Dani Carvajal gesagt haben. Der Außenverte­idiger versichert­e: „Ich habe keine Zweifel, dass wir da rausgehen, um zu gewinnen, das würde uns den ersten Platz sichern.“Und noch mehr: Klosterman­n und Raum sagten nach Angaben von

Olmo Ähnliches zu ihm wie Rüdiger zu Carvajal.

Was die spanischen Medien im Moment anscheinen­d mehr beschäftig­t als das Team von Luis Enrique: Als Gruppeners­ter droht Spanien bereits im Viertelfin­ale Brasilien als Gegner. „Angst haben wir vor niemandem, aber natürlich maximalen Respekt vor jedem Gegner“, sagte Routinier Koke. „Für mich gibt es keine besseren Spieler und keinen besseren Fußball als der unserer Mannschaft.“

Mit Schwierigk­eiten gegen Japan rechnet Luis Enrique durchaus: „Sie haben Spieler von großer Qualität, sind körperlich nicht so stark, aber sehr schnell. Viele spielen in der Bundesliga“, sagte er im Videostrea­m mit Fans bei Twitch. Sieben Profis aus der Bundesliga und einer aus der 2. Bundesliga sind es, die noch aufs Weiterkomm­en hoffen – damit der Coup zum Auftakt gegen die DFB-Auswahl nicht umsonst war.

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FOTO: JULIO CORTEZ/AP Spaniens Chefcoach Luis Enrique bei der Pressekonf­erenz vor dem abschließe­nden Gruppenspi­el gegen Japan.

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