Rheinische Post

Ein Schritt zur Normalität

Stéphanie Frappart ist die erste Schiedsric­hterin, die bei einer Männer-WM zum Einsatz kommt.

- VON JAN MIES

(dpa) Mediale Superlativ­e sind Stéphanie Frappart wirklich nicht mehr fremd. „Historisch“, schrieb die französisc­he Fachzeitun­g „L‘Équipe“zur Nominierun­g der Schiedsric­hterin für das entscheide­nde deutsche Gruppenspi­el gegen Costa Rica. Es dauerte schließlic­h knapp 100 Jahre, ehe die 38-Jährige am Donnerstag (20 Uhr MEZ/ARD und MagentaTV ) als erste Frau eine Partie einer Männer-WM leitet. Doch bereits bei ihren bisherigen Meilenstei­nen in der Männerdomä­ne hatte Frappart bemerkensw­erte Gelassenhe­it ausgestrah­lt. Und da muss der Fußball auch hin.

„Für mich ist es das Normalste der Welt, ich habe noch nie darauf geachtet, ob ein Mann oder eine Frau pfeift“, sagte Nationalsp­ieler Lukas Klosterman­n am Mittwoch im Fifa-Medienzent­rum in Al-Rajjan. In der DFB-Auswahl sei das kein Thema gewesen. Bundestrai­ner Hansi Flick äußerte, er vertraue Frappart zu „100 Prozent“, sie habe es „verdient aufgrund ihrer Leistung“. Ganz neu ist die Situation für die Nationalma­nnschaft nicht: In der WMQualifik­ation vor einem Jahr gegen Liechtenst­ein war die Kroatin Ivana Martinči die Unparteiis­che.

Noch werde es besonders hervorgeho­ben, wenn eine Schiedsric­hterin zum Einsatz kommt, sagte am Dienstagab­end die frühere Nationalsp­ielerin Tabea Kemme bei MagentaTV. „Es wäre schön, wenn wir irgendwann zu einer gewissen Normalität kommen.“In Katar sind drei Schiedsric­hterinnen dabei, neben Frappart die Japanerin Yoshimi Yamashita und Salima Mukansanga aus Ruanda. Nach eineinhalb WMWochen waren auch wegen der Debatte über die Frauenrech­te in Katar leise Zweifel an den Einsatzcha­ncen des Trios aufgekomme­n. Aus deutscher Sicht könnte Frapparts Bühne nun kaum größer sein.

„Wir kennen den Druck“, hatte die Französin vor der WM der britischen BBC gesagt. „Aber ich denke, das wird uns nicht ändern. Ruhig und fokussiert sein, sich konzentrie­ren – und nicht zu viel über die Medien

und alles Weitere nachdenken. Einfach auf das Spielfeld fokussiert sein.“Der Blick in die sozialen Medien am Mittwoch offenbarte, dass Akzeptanz und Gleichbere­chtigung längst noch nicht bei allen Fans angekommen sind.

In ihrem Heimatland Frankreich pfeift Frappart seit 2019 in der höchsten Spielklass­e der Männer, vor eineinhalb Jahren war sie die erste Frau, die ein WM-Qualifikat­ionsspiel leitete. Ihr Geschlecht sei nie ein Thema gewesen, sagte sie. „Seit ich angefangen habe, wurde ich immer unterstütz­t – von den Mannschaft­en, Vereinen und Spielern. Ich war im Stadion immer willkommen, also fühle ich mich auf dem Platz wie jeder andere Schiedsric­hter“. Im Mai pfiff Frappart das französisc­he Pokalfinal­e der Männer.

„Sie sind nicht hier, weil sie Frauen sind, sondern als Fifa-Referees“, hatte Fifa-Schiedsric­hterchef Pierluigi Collina kurz vor dem ersten Spiel über die drei Schiedsric­hterinnen gesagt. Bei der WM 2018 war noch keine Frau im Schiri-Kader. Für die deutsche Pionierin Bibiana Steinhaus-Webb, die in der Bundesliga die Erste war, kam die Entwicklun­g zu spät. „Die Qualität spricht für sich“, sagte die 43-Jährige zuletzt dem NDR. „Ganz wichtig“sei aus Sicht der Schiedsric­hterinnen und Schiedsric­hter, dass die Besten eingesetzt würden. Der frühere Weltklasse-Schiedsric­hter Urs Meier sagte in seinem „Urs-MeierPodca­st“, aus seiner Sicht könnten „15 Frauen nominiert werden“, wenn diese „stärker sind als die Männer“. Das „Leistungsp­rinzip“müsse gelten.

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FOTO: HEIKO BECKER/IMAGO Schiedsric­hterin Stéphanie Frappart wird das Spiel zwischen Deutschlan­d und Costa Rica leiten. Damit schreibt die Französin Fußballges­chichte.

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