Rheinische Post

Saudi-Arabien hofft auf WM 2030

Trotz des Aus in der Vorrunde hat die Spielweise selbst fernab der Metropolen des Königreich­s Euphorie ausgelöst.

- VON JAN KUHLMANN

(dpa) Sie sind bereit für einen der größten Erfolge der saudischen Fußballges­chichte. Selbst hier in Salwa, einer unscheinba­ren Kleinstadt am Persischen Golf fernab aller Metropolen. Überall im Königreich zittern am Mittwochab­end Fans vor Bildschirm­en, um gegen Mexiko den möglichen ersten Einzug in die K.-o.-Runde seit 1994 zu feiern. In Salwa unweit der Grenze zu Katar strömen Hunderte in eine Public-Viewing-Zone mit Großbildle­inwand. Der Eintritt kostet zehn Riyal, umgerechne­t etwa 2,50 Euro. Das saudische Team werde gewinnen, sind sich Chalid und seine Kollegen bei Anpfiff sicher.

In Salwa ist ein wenig zu spüren, was Gastgeber Katar versproche­n hatten: dass die WM auch ein Turnier für die Nachbarn, wenn nicht für alle arabischen Länder sein soll. Männer und Frauen verfolgen das Spiel gemeinsam, was so vor einigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Salwa gilt auch im ohnehin muslimisch-konservati­ven Saudi-Arabien als besonders traditione­ll. Einige Männer tragen Trikots der Nationalel­f, manche Frauen haben sich grüne Fanschals über die schwarze Abaja, das in Saudi-Arabien übliche lange Gewand, gelegt. Große Scheinwerf­er tauchen die Public-Viewing-Zone in grünes Licht.

Mit dem sensatione­llen 2:1-Sieg gegen Argentinie­n zum WM-Auftakt hatte die Euphorie in dem ohnehin fußballbeg­eisterten Land neue Höhen erreicht. König Salman ordnete einen Nationalfe­iertag an. Zehntausen­de machten sich auf den Weg ins Nachbarlan­d Katar, um dort die Spiele ihrer Mannschaft zu sehen. Das Emirat hat die Grenzstati­on ausgebaut, um alle schnell abzufertig­en. Busse bringen die Anhänger umsonst weiter in die Hauptstadt Doha.

Die Stimmung in Salwas PublicView­ing-Zone

erinnert eher an einen Familienau­sflug im Park an einem Sonntagnac­hmittag als an Fan-Fest. Manche Fans sitzen auf großen orientalis­chen Teppichen, die über dem Rasen ausgerollt wurden, und essen Kebab irakischer Art oder Pommes vom Stand eines amerikanis­chen Schnellres­taurants. Laute Musik dröhnt vor Anpfiff aus den Boxen. „Seid Ihr begeistert? Seid Ihr bereit?“, ruft ein Moderator ins Mikrofon.

Fußball ist in Saudi-Arabien Nationalsp­ort. „Wie in Brasilien“, sagt

Chalid. Anders als im kleinen Katar lockt die Liga des großen Nachbarn Zehntausen­de in die Stadien. Chalid zieht sein Handy aus der Tasche und zeigt ein Video mit den zehn besten Choreograf­ien seines Lieblingsk­lubs Al-Hilal. Das Stadion ist bis zum letzten Platz gefüllt, die Tribünen in Blau und Weiß gehüllt. Saudi-Arabiens Fankultur kann es mit anderen Ländern aufnehmen.

Die erste Fußball-WM in der arabischen Welt findet jedoch nicht im Königreich statt, sondern in Katar, dem kleinen und aus saudischer

Sicht oft widerspens­tigen Nachbarn. Das Verhältnis der beiden Länder ist komplizier­t: Es gibt enge gesellscha­ftliche Verbindung­en, aber immer wieder auch politische Spannungen. Ob die Saudis nicht ein wenig neidisch seien, dass Katar WMGastgebe­r sei? „Nein“, sagt Chalid: „Am Golf sind wir alle ein Volk.“Die WM sei gelungen, fügt er hinzu. „Der Fußball bringt uns Saudis mit den anderen Nationen zusammen.“

Doch das Spiel läuft für die saudische Elf, die Grünen Falken, nicht gut. Mexiko schießt das 1:0, später das 2:0. Chalid stöhnt laut, wirkt aber ansonsten gefasst. „Jalla“, ruft er ein paar Mal: „Los jetzt.“Einmal dürfen die saudischen Fans immerhin noch jubeln, als ihr Team den Anschlusst­reffer schießt. Dann ist das Spiel vorbei und Saudi-Arabien ausgeschie­den.

„Normal“, sagt Chalid, ein wenig enttäuscht, aber dennoch zufrieden mit dem Team, schon allein wegen des historisch­en Erfolgs gegen Argentinie­n und Superstar Lionel Messi. „Das ist ein Sieg für die Zukunft“, findet Chalid. Die Entwicklun­g des

Fußballs in Saudi-Arabien habe an Tempo zugelegt: „Sieh doch, bis wohin wir es schon geschafft haben. Wir haben Argentinie­n besiegt und gegen Polen waren wir stärker. Die Entwicklun­g ist gut.“

Saudi-Arabien hat mittlerwei­le große Ambitionen im Sport im Allgemeine­n und im Fußball im Besonderen, vorangetri­eben von Kronprinz Mohammed bin Salman dem internatio­nal umstritten­en eigentlich­en Herrscher des Landes. Was Katar gelungen ist, will jetzt auch das Königreich schaffen: eine WM ins Land holen, am besten schon 2030. Medien zufolge denkt Saudi-Arabien darüber nach, sich gemeinsam mit Ägypten und Griechenla­nd zu bewerben.

Ein solches Turnier wäre gut für die Entwicklun­g des Landes, glaubt Chalid. Das Königreich habe sich schon in den vergangene­n Jahren rasant verändert und geöffnet. Er jedenfalls wäre „zufrieden und glücklich“, wenn die Weltmeiste­rschaft nach Saudi-Arabien käme. Aller Unkenrufe zum Trotz.

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FOTO: ANDRE PENNER/AP Die Fans aus Saudi-Arabien hoffen bald auf eine Weltmeiste­rschaft im eigenen Land.

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