Länder springen Landwirten bei
Nach massiven Protesten der Bauern verlangen die zuständige NRW-Ministerin Silke Gorißen (CDU) sowie mehrere Ministerpräsidenten eine Umkehr der Ampel. Bundeskanzler Olaf Scholz zeigt sich unnachgiebig.
DÜSSELDORF Zum Wochenauftakt haben die Landwirte mit sogenannten Sternfahrten in Nordrhein-Westfalen und dem Rest der Republik für erhebliche Verkehrsbeeinträchtigungen gesorgt. In mehreren Städten stauten sich Berufspendler, weil die Traktorkonvois über weite Strecken in Schrittgeschwindigkeit die übrigen Verkehrsteilnehmer ausbremsten. Befürchtete rechtswidrige Blockaden etwa von Autobahnen blieben dabei in NRW allerdings aus, wie die Präsidenten der beiden Landwirtschaftsverbände von Westfalen-Lippe und dem Rheinland bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der zuständigen Ministerin Silke Gorißen (CDU) mitteilten.
Diese zeigte sich zwar erleichtert, appellierte jedoch noch einmal an die Bauern, in der zunächst auf acht Tage angelegten Aktionswoche bei regulären Protestformen zu bleiben. Gorißen sagte mit Blick auf radikalere Kräfte innerhalb der Branche, man habe „durchaus hier und da mitbekommen, dass es Splittergruppen gibt, die völlig selbstständig, losgelöst von den Verbänden Aktionen starten und dann auch zu Blockaden aufgerufen haben“. Die CDU-Politikerin unterstrich dabei noch einmal, dass Recht und Gesetz auch für die Landwirte gelten.
In der vergangenen Woche hatten in Schleswig-Holstein aufgebrachte Bauern Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) daran gehindert, eine Fähre zu verlassen. Auch waren in den vergangenen Tagen immer wieder Galgen mit Ampel-Symbolen aufgetaucht. Entsprechend knüpfte die Ministerin ihre Teilnahme an der für nächsten Montag geplanten Großkundgebung in Berlin nunmehr an Bedingungen. Sie habe großes Vertrauen darauf, dass der Deutsche Bauernverband die Demonstration gut organisiere. Sollte es jedoch „zu komischen Aktionen“kommen, werde sie ihre Teilnahme auch noch mal überdenken.
Inhaltlich stärkte Gorißen den Bauern noch einmal den Rücken und forderte eine vollständige Rücknahme der geplanten Streichung von Agrardiesel-Subventionen für die Landwirtschaft. Bei den aktuellen Plänen würden ab 2026 rund 40 Millionen Euro pro Jahr für die Landwirtschaft in NRW wegfallen. „Auf einen durchschnittlichen Agrarbetrieb kommen über die Jahre bis zu mehrere Tausend Euro Extrakosten pro Jahr zu“, sagte die Ministerin. Gorißen verwies darauf, dass die Landwirtschaft zuletzt auch schon anderweitig belastet worden sei, etwa beim Wegfall von Zuschüssen für die Unfallversicherung. All das bringe die Betriebe in eine immer schwierigere Situation.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich jedoch hartleibig: „Die Bundesregierung steht dazu“, sagte er nach einem Treffen mit Luxemburgs Premierminister Luc Frieden im Kanzleramt in Berlin. Die Subventionen seien schon seit vielen Jahren kritisiert worden – und bei einem Subventionsabbau gebe es immer Stimmen, die sagen, „aber nicht diese“. Nun bleibe die Regierung bei ihrem Vorhaben, das „in sehr kurzer Zeit“im Bundestag zur Abstimmung stehen soll.
Dabei gibt es selbst in seiner Partei Stimmen, die eine Umkehr verlangen. So sagte die saarländische Ministerpräsidentin, Anke Rehlinger (SPD), unserer Redaktion: „Es ist gut, dass die Ampel das in Teilen zurückgenommen hat. Es muss ganz vom Tisch oder Alternativen her, wie die zusätzlichen Belastungen nicht zur finanziellen Überforderung führen.“Auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) schlug sich klar auf die Seite der Bauern: Die zusätzlichen Belastungen beim Diesel seien „keine Peanuts“, sagte er. Er könne nachvollziehen, dass dort protestiert werde.
„Bloße Empörung reicht nicht aus“, sagte dagegen Dietmar Brockes, landwirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion. Die Anliegen der Landwirte dürften nicht für Empörungspolitik ausgenutzt werden. „Vor allem die CDU entrüstet sich jetzt über den Scherbenhaufen Agrarpolitik, den sie jahrzehntelang selbst verursacht hat.“
SPD-Fraktionschef Jochen Ott Jochen nannte dagegen die jetzt gefundene Lösung einen guten Kompromiss. Dass die Landwirte dagegen protestierten, sei dennoch vollkommen legitim. „Protest ist Teil unserer demokratischen Kultur:“Ott schlug einen konstruktiven Dialog über landwirtschaftliche Entwicklung und regionale Wertschöpfung vor.