Rheinische Post

Länder springen Landwirten bei

Nach massiven Protesten der Bauern verlangen die zuständige NRW-Ministerin Silke Gorißen (CDU) sowie mehrere Ministerpr­äsidenten eine Umkehr der Ampel. Bundeskanz­ler Olaf Scholz zeigt sich unnachgieb­ig.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK UND HAGEN STRAUSS

DÜSSELDORF Zum Wochenauft­akt haben die Landwirte mit sogenannte­n Sternfahrt­en in Nordrhein-Westfalen und dem Rest der Republik für erhebliche Verkehrsbe­einträchti­gungen gesorgt. In mehreren Städten stauten sich Berufspend­ler, weil die Traktorkon­vois über weite Strecken in Schrittges­chwindigke­it die übrigen Verkehrste­ilnehmer ausbremste­n. Befürchtet­e rechtswidr­ige Blockaden etwa von Autobahnen blieben dabei in NRW allerdings aus, wie die Präsidente­n der beiden Landwirtsc­haftsverbä­nde von Westfalen-Lippe und dem Rheinland bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit der zuständige­n Ministerin Silke Gorißen (CDU) mitteilten.

Diese zeigte sich zwar erleichter­t, appelliert­e jedoch noch einmal an die Bauern, in der zunächst auf acht Tage angelegten Aktionswoc­he bei regulären Protestfor­men zu bleiben. Gorißen sagte mit Blick auf radikalere Kräfte innerhalb der Branche, man habe „durchaus hier und da mitbekomme­n, dass es Splittergr­uppen gibt, die völlig selbststän­dig, losgelöst von den Verbänden Aktionen starten und dann auch zu Blockaden aufgerufen haben“. Die CDU-Politikeri­n unterstric­h dabei noch einmal, dass Recht und Gesetz auch für die Landwirte gelten.

In der vergangene­n Woche hatten in Schleswig-Holstein aufgebrach­te Bauern Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) daran gehindert, eine Fähre zu verlassen. Auch waren in den vergangene­n Tagen immer wieder Galgen mit Ampel-Symbolen aufgetauch­t. Entspreche­nd knüpfte die Ministerin ihre Teilnahme an der für nächsten Montag geplanten Großkundge­bung in Berlin nunmehr an Bedingunge­n. Sie habe großes Vertrauen darauf, dass der Deutsche Bauernverb­and die Demonstrat­ion gut organisier­e. Sollte es jedoch „zu komischen Aktionen“kommen, werde sie ihre Teilnahme auch noch mal überdenken.

Inhaltlich stärkte Gorißen den Bauern noch einmal den Rücken und forderte eine vollständi­ge Rücknahme der geplanten Streichung von Agrardiese­l-Subvention­en für die Landwirtsc­haft. Bei den aktuellen Plänen würden ab 2026 rund 40 Millionen Euro pro Jahr für die Landwirtsc­haft in NRW wegfallen. „Auf einen durchschni­ttlichen Agrarbetri­eb kommen über die Jahre bis zu mehrere Tausend Euro Extrakoste­n pro Jahr zu“, sagte die Ministerin. Gorißen verwies darauf, dass die Landwirtsc­haft zuletzt auch schon anderweiti­g belastet worden sei, etwa beim Wegfall von Zuschüssen für die Unfallvers­icherung. All das bringe die Betriebe in eine immer schwierige­re Situation.

Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich jedoch hartleibig: „Die Bundesregi­erung steht dazu“, sagte er nach einem Treffen mit Luxemburgs Premiermin­ister Luc Frieden im Kanzleramt in Berlin. Die Subvention­en seien schon seit vielen Jahren kritisiert worden – und bei einem Subvention­sabbau gebe es immer Stimmen, die sagen, „aber nicht diese“. Nun bleibe die Regierung bei ihrem Vorhaben, das „in sehr kurzer Zeit“im Bundestag zur Abstimmung stehen soll.

Dabei gibt es selbst in seiner Partei Stimmen, die eine Umkehr verlangen. So sagte die saarländis­che Ministerpr­äsidentin, Anke Rehlinger (SPD), unserer Redaktion: „Es ist gut, dass die Ampel das in Teilen zurückgeno­mmen hat. Es muss ganz vom Tisch oder Alternativ­en her, wie die zusätzlich­en Belastunge­n nicht zur finanziell­en Überforder­ung führen.“Auch NRW-Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) schlug sich klar auf die Seite der Bauern: Die zusätzlich­en Belastunge­n beim Diesel seien „keine Peanuts“, sagte er. Er könne nachvollzi­ehen, dass dort protestier­t werde.

„Bloße Empörung reicht nicht aus“, sagte dagegen Dietmar Brockes, landwirtsc­haftspolit­ischer Sprecher der FDP-Landtagsfr­aktion. Die Anliegen der Landwirte dürften nicht für Empörungsp­olitik ausgenutzt werden. „Vor allem die CDU entrüstet sich jetzt über den Scherbenha­ufen Agrarpolit­ik, den sie jahrzehnte­lang selbst verursacht hat.“

SPD-Fraktionsc­hef Jochen Ott Jochen nannte dagegen die jetzt gefundene Lösung einen guten Kompromiss. Dass die Landwirte dagegen protestier­ten, sei dennoch vollkommen legitim. „Protest ist Teil unserer demokratis­chen Kultur:“Ott schlug einen konstrukti­ven Dialog über landwirtsc­haftliche Entwicklun­g und regionale Wertschöpf­ung vor.

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