Am Tropf des Staates
Seit Jahrzehnten erhält die Landwirtschaft Milliarden-Subventionen. Diese verhindern fairen Wettbewerb und setzen falsche Anreize. Doch eine Reform sollte planvoll erfolgen und nicht chaotisch, wie es die Ampel vollzieht.
Als wütende Bauern Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bedrohten, sprangen ihm Politiker anderer Parteien bei. Doch in der Sache stellen sich viele an die Seite der Landwirte. „Ich teile die Anliegen der Bauern“, sagte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) forderte eine Rücknahme der „arg belastenden“Sparmaßnahmen. Das ist verwunderlich. Während Handwerker und viele Mittelständler keine Staatshilfen erhalten, wird die Landwirtschaft seit Jahrzehnten mit Milliarden subventioniert – finanziert von allen Steuerzahlern, auch der Verkäuferin und dem Bäckergesellen.
Milliardenhilfen „Die EU gibt knapp 30 Prozent ihres Budgets für die Landwirtschaft aus“, sagt Achim Wambach, Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW ). 2021 summierten sich die Beihilfen allein für deutsche Landwirte auf 6,7 Milliarden Euro, rechnet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vor. Immerhin hat die EU ihre unselige Praxis gestoppt, die Förderung an Mengen zu koppeln – das hatte einst zu berüchtigten Milchseen und Butterbergen geführt. Die EU stellte um auf Basisprämien, feste Beträge pro Fläche: 2022 hätten 280.000 Betriebe in Deutschland 2,9 Milliarden Euro erhalten, so das Bundeslandwirtschaftsministerium. Weitere 1,3 Milliarden flossen als „Greening-Prämie“, wenn Bauern ihre Flächen klima- und umweltfreundlich bewirtschaften. Als Drittes flossen über 300 Millionen Euro als Umverteilungsprämie. Für 24.000 junge Bauern gab es eine Junglandwirt-Prämie, hinzu kamen Hilfen für Kleinerzeuger. In diesem Jahr erhalten Landwirte zudem 480 Millionen Euro als Vergünstigung bei der Kfz-Steuer. Eigentlich wollte die Ampel diese streichen, ruderte aber nach ersten Protesten zurück. Die zunächst geplante Abschaffung der Agrardiesel-Förderung,
die den Bauern 440 Millionen Euro im Jahr bringt, streckte der Bund bis 2026.
Fehlanreize durch Hilfen Wie alle Subventionen setzen auch diese Fehlanreize. Erstens werden Betriebe am Leben gehalten, die nicht wettbewerbsfähig sind. „Die Begünstigungen sorgen dafür, dass museumsartige Strukturen konserviert werden und ein teilweise extremer Wettbewerb um landwirtschaftliche Flächen herrscht, der die Entwicklung hin zu wettbewerbsfähigeren Betrieben hemmt“, sagt Alfons Balmann vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Halle. Sein Kollege Sebastian Lakner (Uni Rostock) erwartet, dass die Kürzung laufende Entwicklungen nur verstärkt: „Die Kürzungen sind finanziell schon merkbar, aber für einen durchschnittlichen Betrieb nicht existenzgefährdend.“Sollten sie existenzgefährdend sein, dann habe es schon vorher ökonomische Probleme gegeben. Zweitens verhindern die EU-Agrarhilfen globalen Wettbewerb und schaden so Schwellen- und Entwicklungsländern. Drittens fördern sie klimaschädliches Verhalten, auch wenn die Politik immer mehr detaillierte Auflagen ersinnt. „Allein unter dem Gesichtspunkt der Klimaneutralität sind die Subventionen nicht gerechtfertigt“, sagt Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW ). „Die europäischen Direktzahlungen an Landwirte im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik setzen zu wenige Anreize für höhere Standards in den Bereichen Ökologie, Klimaschutz und Tierschutz“, betont auch ZEW-Chef Wambach. Er ist überzeugt: „Die Kfz-Steuerbefreiung und die Subvention des Agrardiesels werden sich mittelfristig nicht halten lassen, da sie die falschen Anreize für den Klimaschutz setzen.“Klimafreundliches Verhalten sollte angereizt, klimaschädliches Verhalten teurer werden.
Planlose Ampel Allerdings hat die Bundesregierung die Subventionen nicht im Zuge eines durchdachten Masterplans angepackt, sondern als überfallartige Sparmaßnahme zum Stopfen von Haushaltslöchern. „Eine abrupte Beendung der Subventionen ohne die Möglichkeit der Vorbereitung und Verhaltensanpassung ist nicht zu empfehlen“, sagt Wambach. Das kritisiert auch Hüther: „Der Bundesregierung ist vorzuwerfen, den Gesamtzusammenhang zu übersehen und eine grundlegende Reform der KfzBesteuerung nicht zu versuchen. Das wäre auch mit Übergangsfristen für die landwirtschaftlichen Betriebe zu verbinden.“Der IW-Chef erinnert an die Begründung für die Steuererleichterung: Die Kraftfahrzeugsteuer sei eine Steuer, die auf die Teilhabe am Rechtsund Wirtschaftsverkehr erhoben werde – „insoweit das für die landwirtschaftlichen Fahrzeuge nicht gilt, ist eine Ausnahme begründbar“, so Hüther.
Kluge Agrarpolitik Das Problem bei der Agrarförderung sind die vielen Zielkonflikte: Im Namen der vermeintlich notwendigen heimischen Ernährungssicherung werden viele ordnungspolitische Sünden begangen. Doch muss Getreide zwingend aus Deutschland kommen? Im Rahmen des EU-Binnenmarktes sind auch andere Lösungen denkbar. Darf Fleisch so billig sein, wie es bisweilen ist, obwohl damit die Belastung des Klimas durch CO2-Emissionen keineswegs bezahlbar ist? Muss jeder kleine Bauernhof erhalten bleiben, auch wenn er nicht mehr rentabel zu betreiben ist? Viele Ökonomen fordern, dass die Landwirtschaft aus der Subventionsabhängigkeit herausgeführt wird – aber nicht über Nacht, sondern mit Konzept und ohne ideologische Scheuklappen. Dazu gehöre auch, betont Leibniz-Forscher Balmann, „die Überwindung ideologischer, wissenschaftsfremder Diskussionen wie um Pflanzenschutzmittel und moderne Gentechnik“. Ausstieg aus den Subventionen, aber mehr Freiheit für Landwirte – das wäre mal eine moderne Agrarpolitik für Deutschland.