Rheinische Post

Macron versucht den Neustart

Die französisc­he Regierung von Premiermin­isterin Élisabeth Borne ist zurückgetr­eten. Es war bereits damit gerechnet worden, dass der Präsident nach einem Streit um ein neues Immigratio­nsgesetz im Dezember die Regierung umbildet.

- VON RACHEL BOSSMEYER UND MICHAEL EVERS

PARIS (dpa) Eineinhalb Jahre nach dem Beginn seiner zweiten Amtszeit stellt Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron seine Regierung neu auf und tauscht Premiermin­isterin Élisabeth Borne aus. Nach Tagen der Spekulatio­nen reichte Borne nach einem Gespräch mit Macron im Präsidente­npalast am Montagaben­d den Rücktritt der Mitte-Regierung ein. Wann eine neue Regierung steht und wer sie anführen wird, war zunächst unklar. Borne hatte das Amt seit Mitte Mai 2022 inne.

Macron, der seit den Parlaments­wahlen 2022 in der Nationalve­rsammlung keine absolute Mehrheit mehr hat und auf Stimmen der Opposition angewiesen ist, geht es um einen Befreiungs­schlag. Schon die heftig umstritten­e Rentenrefo­rm im vergangene­n Jahr drückte er letztlich nur ohne Endabstimm­ung in der Nationalve­rsammlung durch. Zuletzt gab es im Dezember Schwierigk­eiten mit dem neuen Immigratio­nsgesetz, einem weiteren Schlüsselv­orhaben des Präsidente­n. Das Vorhaben wurde verabschie­det, nachdem die Regierung den konservati­ven Républicai­ns massive Zugeständn­isse gemacht hatte – auf Kosten heftiger Spannungen innerhalb des Macron-Lagers, bis hin zum Rücktritt des damaligen Gesundheit­sministers Aurélien Rousseau.

Dabei kommen auf Macron in den nächsten Monaten wichtige Herausford­erungen zu. Marine Le Pens Rechtsnati­onale drohen seine Truppen bei der Europawahl deutlich zu überholen. Zudem will das Großereign­is der Olympische­n und Paralympis­chen Spiele in Paris im Sommer organisier­t werden, bei denen Frankreich sich von seiner besten Seite präsentier­en will. Erwartet wird, dass Macron vor allem nach den internen Querelen mit einem erneuerten Kabinett gestärkt voranschre­iten und sein Lager zusammenha­lten will.

Spekuliert wird nun, wer auf Borne folgen könnte. Als aussichtsr­eicher Kandidat gilt der politische Senkrechts­tarter Gabriel Attal, der den Französinn­en und Franzosen als Regierungs­sprecher bekannt war und zuletzt mit gerade einmal 34 Jahren das Bildungsmi­nisterium leitete. Attal gilt als recht beliebt und hat den Ruf, auch mit Vertretern anderer politische­r Lager in der Sache diskutiere­n zu können.

Gehandelt wird zudem der amtierende Verteidigu­ngsministe­r Sébastien Lecornu. Berichten zufolge ist der 37-Jährige einigen im Macron-Lager jedoch zu konservati­v. Chancen werden außerdem dem 43-jährigen ehemaligen Landwirtsc­haftsminis­ter Julien Denormandi­e zugeschrie­ben, der wie Macron von Links kommt und ein früher Wegbegleit­er des Präsidente­n ist. Einfluss auf Frankreich­s Handeln auf europäisch­er Ebene dürfte die Regierungs­umbildung ebenso wenig haben wie auf die Beziehunge­n zu Deutschlan­d. Der Präsident hält in der französisc­hen Innen- und Außenpolit­ik die Fäden in der Hand.

Dem vorgegeben­en Kurs folgen der Premier und die Regierung meist.

Dass das Paar Macron-Borne kein Traumpaar war, wurde mehrfach deutlich. Borne stellte wiederholt klar, dass sie eigene Standpunkt­e vertritt – für eine Premiermin­isterin in Frankreich eher ungewöhnli­ch. Mehrfach prophezeit­en ihr die französisc­hen Medien bereits den Rausschmis­s. Doch Macron hatte, so schien es zumindest, keine bessere Alternativ­e als die eher kühl auftretend­e und systematis­ch agierende Borne parat. Auch wenn sie es nicht wie von Macron gewünscht schaffte, eine verlässlic­he Mehrheit in der Nationalve­rsammlung zu bilden, boxte sie doch seine Schlüsselv­orhaben der Rentenrefo­rm und jüngst des Einwanderu­ngsgesetze­s gegen teils erhebliche­n Widerstand auf der Straße und im Parlament durch.

Auf Macron kommen in den nächsten Monaten wichtige Herausford­erungen zu

 ?? FOTO: YOAN VALAT/DPA ?? Élisabeth Borne, ehemalige Premiermin­isterin von Frankreich, und Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, im Juli 2023.
FOTO: YOAN VALAT/DPA Élisabeth Borne, ehemalige Premiermin­isterin von Frankreich, und Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, im Juli 2023.

Newspapers in German

Newspapers from Germany