Rheinische Post

Eine royale Belastung

Seine Verwicklun­g in den Missbrauch­sskandal um Millionär Epstein kosteten den britischen Prinzen Andrew Ansehen und Ehrentitel. Jetzt taucht sein Name in Dokumenten auf, dabei schien der Fall für den Palast schon abgeschlos­sen.

- VON BENEDIKT VON IMHOFF

LONDON (dpa) Den Start ins neue Jahr dürfte sich König Charles III. deutlich angenehmer vorgestell­t haben. Doch die Schlagzeil­en der letzten Tage deuten an, dass es stürmisch werden könnte für den britischen Monarchen. „Royale Schande“, titelte das Boulevardb­latt „Sun“, das eigentlich als äußerst palastnah gilt. Im Fokus einmal mehr: Prinz Andrew, skandalumw­ehter Bruder des Königs.

69 Mal, so haben britische Medien nachgezähl­t, taucht der 63-Jährige in den Gerichtsdo­kumenten auf, die ein US-Gericht jüngst zum Missbrauch­sskandal um den Multimilli­onär Jeffrey Epstein veröffentl­ichte. Dass Andrew nicht nur beiläufig in Verbindung mit Epstein stand, ist seit Langem bekannt. Eine Zivilklage der US-Amerikaner­in Virginia Giuffre, die ihm vorwarf, sie vor gut 20 Jahren als Minderjähr­ige missbrauch­t zu haben, wehrte er in einem außergeric­htlichen Vergleich ab. Angeblich gegen Zahlung von mehreren Millionen Pfund. Nach eigener Aussage kannte er die Frau nicht. Damit schien der Fall bei den Akten zu liegen.

Zuletzt ließ sich Andrew, dem seine Mutter Queen Elizabeth II. wegen der Verwicklun­g die Ehrentitel gestrichen hatte und der jahrelang kaum in der Öffentlich­keit auftauchte, sogar wieder auf Plaudereie­n mit Fans der Royals ein. Gemeinsam mit dem Rest der königliche­n Familie zog er zum weihnachtl­ichen Gottesdien­st. Dass seine Ex-Frau Sarah „Fergie“Ferguson erstmals seit Jahrzehnte­n ebenfalls dabei war, nährte Spekulatio­nen über einen umfassende­n Neuanfang.

Doch nun platzen die Gerichtsdo­kumente in die Entspannun­g. In ihnen werden Details zu Vorwürfen gegen Andrew wegen sexuellen Missbrauch­s von zwei jungen Frauen genannt. Der Prinz weist die Vorwürfe seit jeher strikt zurück. Die Dokumente, die Hunderte Seiten umfassen, stammen aus einem Zivilstrei­t zwischen Giuffre und Ghislaine Maxwell. Eine Namensnenn­ung bedeutet dabei nicht, dass die Person aktiver Teil des Missbrauch­snetzwerks um Epstein war, sondern zunächst nur, dass der

Name in dem Zivilproze­ss fiel.

Doch die detaillier­ten Vorwürfe gegen Andrew, die diese Dokumente nahelegen, führen nun zu einem neuen Aufschrei in der britischen Öffentlich­keit. Sogar Premiermin­ister Rishi Sunak wurde zum Fall befragt, äußern wollte er sich aber nicht. Charles stehe unter gewaltigem Druck, Andrew zu bestrafen, schrieb die „Sun“. „Der König wäre klug beraten, die Verbindung zu seinem Bruder vollständi­g abzubreche­n“, sagte sein Biograf Robert Jobson dem Blatt. „Andrew ist eine Belastung, und dieser Skandal geht nicht weg.“Für den Royals-Experten Phil Dampier sind die neuesten Veröffentl­ichungen „der letzte Sargnagel“. „Falls Andrew den Gedanken gehegt hat, er könnte irgendwann zurückkomm­en, hat das diese Hoffnungen zerstört.“

Doch welche Möglichkei­ten hat der König? Schon seit Jahren ist Andrew kein „working royal“mehr, der im Namen der königliche­n Familie offizielle Termine wahrnimmt. Die „Daily Mail“zitierte Quellen aus dem Palast, er werde nun auf keinen Fall mehr in den engen Kreis zurückkehr­en. Der König werde zudem existieren­de Pläne mit Nachdruck vorantreib­en, seinen Bruder aus dem großzügige­n Domizil Royal Lodge auf Schloss Windsor zu werfen und ihn im kleineren Frogmore Cottage unterzubri­ngen, das zuletzt Charles‘ jüngerer Sohn Prinz

Harry genutzt hatte. Doch das gilt eher als symbolisch­er Schritt. Schon tauchen erste Forderunge­n auf, der König solle dem Achten der britischen Thronfolge den Titel Herzog von York entziehen.

Der Palast muss handeln. Ohne Reaktion dürfte der Fall Monarchieg­egnern in die Hände spielen. Sie sehen sich ohnehin im Aufwind, da in Umfragen seit dem Tod von Queen Elizabeth der Unmut über die Institutio­n wächst. Die Organisati­on Republic zeigte Andrew jetzt bei der Polizei an – die aber zunächst keine Ermittlung­en aufnahm. „Sollten uns neue und relevante Informatio­nen zur Kenntnis gebracht werden, werden wir diese wie bei jeder Angelegenh­eit bewerten“, hieß es.

Republic-Chef Graham Smith aber fordert Antworten. Schließlic­h sei Andrew zum Zeitpunkt der mutmaßlich­en Taten ein aktives Mitglied der Royal Family sowie Sonderbeau­ftragter der britischen Regierung für internatio­nalen Handel gewesen. Smith wittert eine Ausnahme für den Royal: Gegen jeden anderen Beschuldig­ten würde ermittelt werden.

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FOTOS: I IMAGES /IMAGO Es gibt Stimmen, die König Charles (r.) raten, die Verbindung zu seinem Bruder Andrew (l.) vollständi­g abzubreche­n.

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