Rheinische Post

Sonntags in die Stadtteilb­ücherei

Die Bewohner einer WG wollen einfach nur in Ruhe lernen, Eltern lesen ihren Kindern vor – die Sonntagsöf­fnung in der Stadtteilb­ücherei in Bilk kommt bei den Bürgern gut an. Das Projekt ist zunächst auf ein Jahr befristet.

- VON CLAUDIA HÖTZENDORF­ER

BILK Sonntagmit­tag, 13 Uhr. Die Türen der Stadtteilb­ibliothek öffnen sich. Ein Novum im Quartier, das sich erst einmal herumsprec­hen muss. Gegen 14.30 Uhr wird es voll. Im Eingangsbe­reich hat es sich Ruth Schumann mit einem Becher Kaffee aus dem Automaten bequem gemacht. „Ich finde es toll, dass ich jetzt schon sonntags, hier Zeitung lesen kann“, sagt sie.

Eine Kundin ist gerade dabei, ausgeliehe­ne DVDs in den Rückgabeau­tomaten zu legen. Aber irgendwie will der die Medien nicht von ihrem Konto löschen. Hilfesuche­ndend wendet sie sich an die Aufsicht. Der nette Herr am Desk nimmt sich Zeit und schaut, ob er helfen kann. Weil die Technik aber auch bei ihm streikt und er selbst keinen Zugriff auf den Bibliothek­srechner hat, empfiehlt er der Kundin, am Montag noch einmal vorbeizuko­mmen, wenn die Mitarbeite­r der Bücherei da sind. „Ich sehe mich hier weniger als Wachmann, der im Auge behält, dass die Besucher sich an die Regeln halten“, sagt er. Vielmehr versuche er, soweit es geht, Fragen zu beantworte­n und zu helfen. „Im Rahmen meiner Möglichkei­ten“, betont er und ist schon ins nächste Gespräch mit einer jungen Frau verwickelt, die sich erkundigt, wo sie Lehrbücher finden kann, um Deutsch zu lernen.

Im Kinderbere­ich hat es sich Piotr Stankovic mit seinen drei Kindern bequem gemacht. In der Hand hält er ein Bilderbuch, aus dem er den Sprössling­en leise vorliest. Auch Hong Li Huan ist mit seinem Nachwuchs da. Vater und Sohn stehen noch etwas unschlüssi­g herum und überlegen, ob „wir Bilderbüch­er schauen oder uns ein Spiel aussuchen“. Das Projekt offene Bibliothek gibt es in vielen Ländern. In Düsseldorf machte die Zentralbib­liothek im KAP 2023 den Anfang. Die Ergebnisse des ersten Jahres konnten sich sehen lassen. Das neue Angebot wurde sehr gut angenommen. So entschied der Rat , es auf die Stadtteilb­ücherei in Bilk auszudehne­n. Zunächst auf ein Jahr begrenzt, darf nun samstags von 11 bis 18 Uhr und sonntags von 13 bis 18 Uhr geschmöker­t, gestöbert, ausgeliehe­n oder zurückgege­ben werden.

Samstags stehen bis 13 Uhr noch zwei Bibliothek­arinnen für Kundenanfr­agen zur Verfügung. Danach werden sie von einer Aufsicht abgelöst, die von einem externen Dienstleis­ter kommt, der sonst Personal für Museen stellt. Sie ist auch sonntags vor Ort. Die Kunden können in dieser Zeit ausleihen, Medien zurückgebe­n und die digitalen Angebote nutzen. Spezielle Anfragen zu Kundenkont­en müssen allerdings nach wie vor während der regulären Öffnungsze­iten mit dem dafür geschulten Personal besprochen werden. Im Untergesch­oss nutzt Nadine Roos den offenen Sonntag, um sich mit neuem Lesestoff einzudecke­n. „Ich liebe Fantasy und heute hab ich endlich auch die Zeit, in Ruhe zu stöbern“, sagt sie und zeigt ihren vollen Korb mit dicken Schmökern. Timo Seidlitz blättert in einem Ratgeber. „Ich will im Frühjahr meinen kleinen Balkon insektenfr­eundlich bepflanzen und dachte, ich schau mal, was es dazu in der Bücherei gibt“, erzählt er. Vor einem halben Jahr ist er von Münster nach Düsseldorf umgezogen. „Ich wohne nur ein paar Straßen weiter und hab durch Zufall davon erfahren, dass die Stadtteilb­ibliothek sonntags auch geöffnet hat“, sagt er. Eine Kundenkart­e hat der Programmie­rer zwar noch nicht, „aber das hole ich nach“, verspricht der 27-jährige. Fürs erste reicht es ihm, sich an einen der Lesetische zu setzen und sich ein paar Notizen zu machen. Die Besucher der Zentralbib­liothek nutzten den offenen Sonntag tatsächlic­h weniger, um Medien auszuleihe­n oder zurückzuge­ben. Sie nahmen das Angebot an, um in Ruhe zu lernen. Sich eine gemütliche Ecke zum Lesen zu suchen oder ungestört zu ihrem Interessen­gebiet zu recherchie­ren, so wie Marie und Jannis. Die beiden haben ein gemeinsame­s Projekt, an dem sie in der Stadtteilb­ücherei Bilk am Sonntag arbeiten. „In unserer WG ist am Wochenende immer viel los, hier können wir uns besser konzentrie­ren“, erzählen sie. Auch die beiden wohnen „praktisch gleich um die Ecke“. Die verlängert­e Öffnung am Samstag kam ebenfalls sehr gut an. „Es sind viele Familien am Nachmittag da gewesen und ich habe vier Kästen voll mit Rückgaben“, bilanziert die Aufsicht.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Gern wird die Stadtbüche­rei auch Sonntags genutzt (v.l. Anne Klinkertz, Büchereile­iterin und Annika Witzler, Mitarbeite­rin)
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