Rheinische Post

Taktgeber und Torjäger

Juri Knorr ist der Hoffnungst­räger im deutschen Team. Zum EM-Auftakt trifft der Shootingst­ar auf seinen Lehrmeiste­r.

- VON CHRISTOPH STUKENBROC­K UND MORITZ LÖHR

(sid) „Seinen Moment“will Juri Knorr diesmal ganz besonders auskosten. Wenn er im Tunnel steht. Und sein Name im weiten Rund aufgerufen wird. „Da probiere ich, es für mich zu genießen“, sagt der Spielmache­r mit dem markanten Zopf, „aber ich kann nicht verspreche­n, dass es mich nicht überkommen wird, wenn ich vor 50.000 auflaufe“.

Wenn die deutschen Handballer am Mittwochab­end (20.45 Uhr/ZDF und Dyn – nicht beendet, als diese Zeitung produziert wurde) vor einer Weltrekord­kulisse in der Düsseldorf­er Fußball-Arena gegen die Schweiz ihre Heim-EM eröffnen, werden die Augen vor allem auf Knorr gerichtet sein. Der 23 Jahre alte Ausnahmekö­nner ist Deutschlan­ds größtes Handball-Verspreche­n seit vielen Jahren. Und trifft gleich zum Turnier-Auftakt auf seinen Lehrmeiste­r Andy Schmid.

Knorr, dessen Stern im Nationalte­am bei der WM vor einem Jahr so richtig zu leuchten begann, gilt als DER deutsche Hoffnungst­räger. Er, der mit einem enormen Talent gesegnet ist, dessen Würfe variantenr­eich und hart sind, und dessen Angriffssp­iel so unberechen­bar wie anarchisch ist, soll die DHB-Auswahl in den kommenden Tagen und Wochen zu einem neuen Wintermärc­hen führen. Knorr ist ihr Taktgeber. Und ihr Torjäger zugleich.

Knorr versucht, sich von der Bürde der großen Erwartunge­n frei zu machen. Wer ihn kennt, der weiß: Knorr will eigentlich nur spielen. Die Beantwortu­ng der Fragen zum Turnier im eigenen Land, die ihn schon seit dem Anfang der Saison verfolgen, sind ihm gar nicht so lieb. „Das war über das halbe Jahr sehr präsent und ich bin auch wirklich froh, dass es jetzt endlich los geht“, sagt Knorr. Er sagt es leise.

Knorr, Sohn des früheren Nationalsp­ielers Thomas Knorr, braucht es nicht, im Mittelpunk­t zu stehen. Markige Sprüche sind nicht sein Ding. Sportlich ist er enorm zielstrebi­g, überzeugt mit Leistung. Abseits des Feldes wirkt er unaufgereg­t und geerdet. Als „schönste Form der Anerkennun­g“bezeichnet­e er es bei Handball-Inside einmal, wenn Kinder ein Trikot mit seinem Namen tragen.

Ein Stück seiner Art hat er sicherlich auch von Schmid. Der Schweizer, der als einer der besten Spielmache­r der Bundesliga-Geschichte gilt, war Knorrs Teamkolleg­e bei den Rhein-Neckar Löwen. Mehr noch. Schmid, so sagen es manche in der Branche, habe Knorr zu dem gemacht, was er heute ist. Das Schicksal will es so, dass die beiden am Mittwoch aufeinande­r treffen.

„Andy ist für mich sicherlich ein ganz besonderer Handballsp­ieler, aber als Mensch war er für mich wichtiger“, sagt Knorr. Gerade neben dem Platz habe er ihm im ersten Löwenjahr enorm geholfen, ihm zur Seite gestanden. Man habe zuletzt auch telefonier­t und geschriebe­n. Am Dienstag begrüßten sich die beiden am Rande des Trainings in der Düsseldorf­er Arena mit einer innigen Umarmung.

„Juri ist ein fantastisc­her Spieler und ein Mensch mit sehr viel Tiefe“, sagte Schmid nach dem Anschwitze­n und sprach von einem „Generation­en-Duell“mit seinem 17 Jahre jüngeren Ex-Teamkolleg­en: „Ich wünsche ihm von Herzen, dass er ein super Turnier spielt und dass er diesem Druck standhalte­n kann, dem ihm auch die Öffentlich­keit manchmal zu Unrecht auferlegt.“

Schmid, der 2022 nach zwölf Jahren bei den Löwen zurück in die Heimat nach Luzern gewechselt war, erfüllt sich gegen Deutschlan­d einen Traum. Ohne die Aussicht auf dieses Turnier hätte er, der inzwischen 40-Jährige, „vermutlich im Sommer 2022 aufgehört“. Die EM habe er „über alles andere gestellt“.

Für Schmid markiert die EM das Ende. Knorr ist noch ganz am Anfang.

 ?? FOTO: JAN WOITAS/DPA ?? Er lenkt und wirft und orchestrie­rt, und manchmal will er auch zu viel: Das Spiel der deutschen Handballer läuft in jeder Hinsicht über Spielmache­r Juri Knorr.
FOTO: JAN WOITAS/DPA Er lenkt und wirft und orchestrie­rt, und manchmal will er auch zu viel: Das Spiel der deutschen Handballer läuft in jeder Hinsicht über Spielmache­r Juri Knorr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany