Weite und Nähe
Kunst und Kirche waren viele Jahrhunderte lang eine Einheit: Kirchen förderten die Kunst und ließen sakrale Räume kunstvoll ausstatten. Künstler gestalteten ihre Werke nach biblischen und kirchlichen Motiven. Ihre Bilder und die Kirchenfenster illustrierten und interpretierten Geschichten aus der Bibel und Legenden von Heiligen. Kunst prägte so auch die Frömmigkeit der Menschen. Drucke und Relieftafeln von Albrecht Dürers „Betende Hände“hingen lange Zeit wie Ikonen an protestantischen Wohnungswänden. Mit der Renaissance begannen Künstler eigene Motive und Bilder zu finden.
Heute ist es selbstverständlich, dass Künstlerinnen und Künstler ihre Werke zweckfrei erschaffen, selbst wenn sie in Kirchen ausstellen oder Werke für Kirchen gestalten. Das Fenster von Gerhard Richter im Kölner Dom mit seinen über 10.000 Farbquadraten, die zufällig angeordnet sind, ist ein Beispiel für solche Eigenständigkeit. Zeitgenössische Kunst in Kirchen eröffnet neue Perspektiven und bringt Menschen ins Gespräch.
Die Johanneskirche hat Ende April an der Düsseldorfer Nacht der Museen teilgenommen. Hiroyuki Masuyama hat eine große begehbare Holzkugel in der Kirche installiert. Wer in die Kugel steigt, erlebt den Sternenhimmel vom Nordpol bis zum Südpol. Der Künstler hat 30.000 Löcher in die Holzkugel gebohrt und sie mit Glasfaser gefüllt. Der Mensch in der Kugel findet sich im Weltall wieder und ist gleichzeitig auf sich selbst zurückgeworfen. Geräusche, wie der eigene Atem, kommen zu einem zurück. So entsteht gleichzeitig das Gefühl unendlicher Weite und bergender Nähe.
Besucherinnen und Besucher beschreiben es wie ein spirituelles Erlebnis. So öffnet Kunst, die im Ansatz nicht religiös ist, Zugänge zur Transzendenz: Zu einem Spirit, einer Energie, die weder Kirche noch Kunst für sich vereinnahmen können, die aber dann und wann da ist. Bis Ende Mai besteht die Chance, das im Kunstwerk von Hiroyuku Masuyama in der Johanneskirche zu erleben.