Künstler muss städtisches Atelier räumen
In zwei Monaten muss Andreas Techler endgültig raus. Die Stadt hatte den Mietvertrag wegen baulicher Mängel gekündigt.
Noch kurz vor Verhandlungsbeginn sagt der Bildhauer und Maler Christof Hartmann in deftigen Worten, es sei nun einmal „verdammt scheiße schwer“, mit Künstlern zu verhandeln. Eben darum geht es am Mittwochvormittag im Raum 2.119 des Düsseldorfer Landgerichtes. Hartmann, langjähriger Ateliersnachbar von Andreas Techler, hat den Umzug seiner Skulpturen und sonstiger Kunstwerke bereits notgedrungen hinter sich gebracht. Techler dagegen nicht.
Beide Künstler waren Mieter der Stadt, als ihnen im Januar 2023 der Mietvertrag aufgrund von baulichen Mängeln gekündigt wurde – nach 26 Jahren. Seitdem versucht der Maler und Performance-Künstler Andreas Techler nach eigenem Bekunden, die bis an die acht Meter hohe Decke vollgestellten Räumlichkeiten neben der Wagenbauhalle in Bilk leer zu bekommen. Für einen 73-Jährigen mit Kniebeschwerden keine leichte Sache, sagt er. Und dann macht die Stadt im Herbst mit einer Räumungsklage ernst – Gerichtsvollzieher ante portas. Was tun?
Techler hat von zahlreichen Freunden und Gönnern Hilfe bekommen – und auch aus dem Stadtrat. So vermittelte ihm Bürgermeisterin Clara Gerlach (Grüne) im September 2023 ein neues Atelier in Reisholz. Das allerdings war für all die innerhalb eines langen Künstlerlebens angesammelten Werke viel zu klein, sagt er. Ein weiteres hat Techler in Oberkassel bekommen. Dieses wird er aber bald ebenfalls räumen müssen.
„Ich habe sozusagen gerade drei Ateliers“, sagt Techler lachend. Nur eben keines, das ihm ausreicht. In den Fluren des Landgerichtes mit seinem Rechtsanwalt Sven Forst auf Einlass wartend, erhofft er sich vom klärenden Güte- und Verhandlungstermin nicht viel mehr als weitere zwei Monate Aufschub für die komplette Räumung.
Diese wird er schließlich auch bekommen. Auch wenn sich die Gegenseite, also die Stadt Düsseldorf vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Klose, zunächst hart zeigt. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso Techler weitere zwei Monate für die Räumung brauche, ein Fortschritt in dieser Zeit überdies fraglich, meint Klose. Immerhin hat der Künstler bereits viel Zeit gehabt.
Sich zu Beginn hart zu geben, ist durchaus eine übliche Taktik bei Güteterminen – insbesondere, wenn man sich ohnehin in der stärkeren Position befindet. Letzteres räumt auch Techlers Kölner Anwalt Forst ein. „Wir haben uns gegen die Räumungsklage nicht verteidigt, es geht nur um Zeit“, sagt er. Es sei außerdem auch kein Folgekonzept der Stadt mit dem Areal ersichtlich; also gebe es für die besondere Eile eigentlich keinen Grund.
Nur spielt das keine Rolle. Die Rechtslage ist seit Anfang 2023 klar. Sein Mandant habe sich daher auch intensiv darum bemüht, die Sachen rauszubringen, sagt Forst. Er räumt also durchaus ein, dass die Stadt einen Punkt hat – womöglich auch, um so um Verständnis zu werben und einen Kompromiss zu erreichen.
Dazu gehört auch, dass Andreas Techler viele Freunde zur Verhandlung mitgebracht hat als Unterstützung. Diese können sich dann allerdings ein Lachen kaum verkneifen, als die neben Christoph Klose sitzende städtische Oberrechtsrätin schwere Geschütze auffährt: Fotos von Pfandflaschen, die in Techlers Noch-Atelier herumliegen, die beweisen sollen, dass sich dort keine Sachen von Wert mehr befinden, sondern nur Gerümpel. Dies seien Wasserflaschen, die von Umzugshelfern ausgetrunken worden seien und noch nicht weggeräumt wurden, hält Techler dagegen.
Der Vorsitzende Richter der 23. Zivilkammer Rolf Maurer will die Pfandflaschen-Fotos allerdings nicht sehen. Es stelle sich nur die Frage, sagt er, ob die Stadt mit der eventuellen Beauftragung des Gerichtsvollziehers bis zum 1. Juli noch warten könne. Die Klägerseite nickt. „Dafür brauche ich die Fotos nicht zu sehen“, sagt Maurer knapp. Der Kompromissvorschlag liegt auf dem Tisch.
Letztlich sei man, so Klose, damit einverstanden. Maurer, 30 Jahre lang Richter und an diesem Punkt wenig beeindruckt, führt die Verhandlung danach schnell zu einem Ende, das beide Seiten als annehmbar bezeichnen. Auch wenn er Techler mitgibt: „Sie haben da noch ganz schöne Apparate herumstehen.“Und die müssen jetzt schnell weg. Von einigen seiner großen Kunstwerke musste sich der unter anderem in London ausgebildete Künstler bereits für immer trennen, sagt er.
„Warum die ihn so fertig machen wollen, ist mir schleierhaft“, hatte Künstlerkollege Hartmann vor der Verhandlung noch gemeint. Vor Gericht wird Techler an diesem Tag nicht fertig gemacht. Es ist ein gefühlter Erfolg für ihn – auch wenn er die Verfahrenskosten tragen wird. In Höhe von bis zu 12.000 Euro, schätzt Anwalt Forst. Aber er lasse sich nicht unterkriegen, sagt Andreas Techler. Nun ist das Anerkenntnisurteil ergangen, die Stadt hat den Titel. Und Techler noch zwei Monate. Seine letzte Chance. Er will sie nutzen.