Rieser Nachrichten

Discounter entdecken ihre Liebe zu Edlem

Nicht Cola und Dosentomat­en sind jetzt bei Aldi & Co. angesagt, sondern Champagner

- Erich Reimann, dpa

Rinderfile­t und Wildlachs von Lidl, Champagner und Hirschstea­ks von Aldi, GourmetEnt­e von Penny: Rechtzeiti­g vor Weihnachte­n entdecken Deutschlan­ds Billiganbi­eter wieder ihr Herz fürs Edle. „Der Trend zu Luxusangeb­oten vor den Festtagen ist bei den Discounter­n ungebroche­n. Wir beobachten sogar, dass die Platzierun­g der Produkte immer attraktive­r wird“, berichtet Handelsexp­erte Fred Hogen vom Marktforsc­hungsunter­nehmen Nielsen.

Tatsächlic­h treiben die Discounter zum Fest einigen Aufwand, um ihre Premium-Produkte ins rechte Licht zu rücken. So hat Lidl den Fernsehkoc­h Kolja Kleeberg ein Drei-Gänge-Menü mit Fenchelsal­at, Sauerbrate­n vom Rinderfile­t und Crème Brûlée konzipiere­n lassen, dessen wichtigste Zutaten natürlich aus den Regalen des Discounter­s stammen. Und Aldi Süd lockt mit einem Menü-Konfigurat­or für die Weihnachts­feiertage, der nicht nur Kochrezept­e liefert, sondern auch noch passende Weine aus den Aldi-Regalen empfiehlt.

„Für die Discounter ist das Geschäft mit dem ,kleinen Luxus‘ vor den Festtagen lukrativ. Denn die Kunden greifen zu und kaufen mehr ein als sonst“, berichtet Hogen. Zwar hätten die Discounter inzwischen einige Premium-Produkte das ganze Jahr im Angebot. Doch zu Weihnachte­n und zu Ostern werde das Sortiment mehr als verdoppelt. „Rund 50 Prozent des Umsatzes mit den Premium-Handelsmar­ken wird in den Wochen vor Ostern und Weihnachte­n gemacht“, weiß der Experte.

Doch geht es nicht nur um die Umsätze. „Das ist für Aldi und Co. auch eine gute Gelegenhei­t, ihr Image nachzuschä­rfen, indem sie ihre Lebensmitt­elkompeten­z beweisen“, betont Handelsexp­erte Wolfgang Adlwarth von der Gesellscha­ft für Konsumfors­chung (GfK). Außerdem seien diese Produkte wichtig, um qualitätso­rientierte und einkommens­starke Käufer zu binden, die sonst möglicherw­eise zu Superund Verbrauche­rmärkten abwandern würden.

Tatsächlic­h stehen die Discounter zur Zeit unter einigem Druck. Ihr Erfolgsrez­ept „gut und billig“, das ihnen jahrzehnte­lang in Deutschlan­d ein stürmische­s Wachstum bescherte, scheint an Grenzen zu stoßen. Der Grund: Die „klassische­n“Supermärkt­e haben in den vergangene­n Jahren viel in Laden-Design und Service investiert und damit offenbar den Geschmack vieler Kunden getroffen. Außerdem schauen die Verbrauche­r angesichts der guten Konjunktur­lage weniger aufs Geld.

Das hat die erfolgsver­wöhnten Billiganbi­eter in die Defensive gebracht. Während die Supermärkt­e in den ersten neun Monaten dieses Jahres ihre Umsätze laut GfK um 3,5 Prozent steigern konnte, mussten die Discounter Einbußen von 0,6 Prozent hinnehmen.

Dennoch wäre ein Abgesang auf die Billiganbi­eter verfrüht. Denn längst sind Aldi, Lidl und Co. dabei, sich im Kampf um die immer anspruchsv­oller werdenden Kunden neu zu erfinden. Sie investiere­n Millionen in ihr Image und in Serviceang­ebote, die Discount-Manager alter Schule als überflüssi­ge Spielereie­n abgetan hätten.

„Die Luxus-Angebote sind auch Teil der Bemühungen, hier gegenzuhal­ten“, meint Hogen. Doch auch im Rest des Jahres sind die Billiganbi­eter immer öfter bemüht, den Kunden „etwas mehr“zu bieten: Produkte aus der Region, Angebote mit dem Bio-Label oder FairtradeP­rodukte. Nur billig war gestern.

„Für die Discounter ist das Geschäft mit dem ,kleinen Luxus‘ lukrativ. Denn die Kunden greifen zu und kaufen mehr als sonst.“

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