Rieser Nachrichten

Kurios, was dem kleinen Prinzen alles begegnet

In Memmingen wurde Saint-Exupérys berühmte Geschichte als Musical eingericht­et. Das funktionie­rt nur bedingt

- VON KLAUS-PETER MAYR

Kann man das Kind in sich bis ins Erwachsene­nalter bewahren? Dies ist eine der zentralen Fragen in Antoine de Saint-Exupérys Büchlein „Der kleine Prinz“aus dem Jahr 1943. In einer bezaubernd­en Geschichte mit poetischer Sprache spüren ein weises Kind aus dem Weltall und ein Bruchpilot dem Sinn des Menschsein­s nach. Das moderne Märchen avancierte zu einem Klassiker, und noch heute wird bei Kindergart­enfesten oder Hochzeitsf­eiern gerne aus ihm zitiert.

Nun hat sich das Landesthea­ter Schwaben (LTS) des feinen Stoffs angenommen und mittels eines Musicals auf die Memminger Bühne gebracht. Den Text schrieb Intendant Walter Weyers höchstpers­önlich. Von Saint-Exupérys grandioser Vorlage lässt er freilich nicht viel übrig. Zwar bedient er sich einiger Motive und eines Gutteils der Figuren, seine satirisch überzeichn­ete „Liebeserkl­ärung an das Leben“aber ist so weit von der philosophi­schen Poesie des Originals entfernt wie der Planet des kleinen Prinzen von der Erde.

Was will Weyers? Darüber kann man nach den 100 pausenlose­n Minuten lange grübeln. Sein Text ist vor allem eloquentes Gequatsche mit mal sinnigen, mal unsinnigen Dialogen. Der Pilot (Fridtjof Stolzenwal­d), der sein Flugzeug in den Saharasand setzt, weil er ein paar Gläser über den Durst getrunken hat, pöbelt gleich mal wüst den kleinen Prinzen an, der wie eine Fata Morgana auftaucht. Eigentlich ist er ein großer Prinz – ein blonder Jüngling in grauen Klamotten und mit modisch gescheitel­tem Haar. Weyers lässt ihn das richtige Leben kennenlern­en, in einem reigenarti­gen Schnelldur­chlauf nach faustische­m Muster, den Regisseur Andreas Baesler durchweg rasant in Szene setzt. Julian Ricker interpreti­ert den Burschen mal naiv-unschuldig, mal gierig genießend. Der trifft auf ein paar kuriose Figuren: profitgier­ige Business-Ladys, dümmliche Denker, eitle Entertaine­r, verrückte Könige. Und natürlich auf das weibliche Geschlecht in Gestalt zweier konträrer Frauen – die eine langweilig-zickig, die andere verführeri­sch. Ein Stück weit amüsiert man sich ganz gut in dieser Achterbahn des Existenzie­llen. Köstlich die Szene mit dem durchgekna­llten Monarchen ohne Volk, umwerfend gespielt von Joséphine Weyers. Furios die exaltierte Wirtschaft­sfrau (Michaela Fent) und Herr Fuchs mit seiner Küchen-Philosophi­e (Christian Müller).

Weyers will wohl zeigen, wie durchgedre­ht die Welt ist im Vergleich zu den idealistis­chen Träumereie­n des originalen kleinen Prinzen. Aber richtig packend ist das spaßige Spiel auf karg, aber effektvoll eingericht­eter Bühne mit Planeten-Hügelchen, Spiegeln und Videoproje­ktionen (Sabine Manteuffel) nur selten. Und wenn sich die Schauspiel­er in Sänger verwandeln, wird es mangels geeigneter Stimmen nicht prickelnde­r (mit Ausnahme von Joséphine Weyers und Barbara Weiß als Rose).

Und so muss die Musik dieses Musical retten. Sie kommt vom Augsburger Vibrafonis­ten, Pianisten und Komponiste­n Wolfgang Lackerschm­id, der sie im Orchesterg­raben zusammen mit einer feinen Allgäuer Band spielt. Lackerschm­ids farbige Klänge reichen von Jazz über Rhythm ’n’ Blues und Rock bis zu gediegenem Pop – und geben dem „kleinen Prinzen“Würze und Tiefe.

Weitere Aufführung­en im Großen Haus des Memminger Landesthea­ters am 12. und 22. Dezember sowie am 6., 7. und 10. Januar.

 ?? Foto: Karl Forster/LTS ?? Über so einen durstigen König (Joséphine Weyers) kann der kleine Prinz (Julian Ricker) nur staunen.
Foto: Karl Forster/LTS Über so einen durstigen König (Joséphine Weyers) kann der kleine Prinz (Julian Ricker) nur staunen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany