Der Milliardenschatz der San José
300 Jahre lang haben Forscher nach der Galeone gesucht. Jetzt melden Wissenschaftler den Fund des Schiffes. Aber können sie dessen wertvolle Fracht bergen?
Ende Mai 1708 steckt Graf José Fernández de Santillana in einer Zwickmühle. Er liegt mit seiner Flotte im Hafen von Portobelo im heutigen Panama, die Hurrikansaison zieht heran und zu Hause wartet man auf die Schätze im Bauch seiner Schiffe, um die Spanischen Erbfolgekriege zu finanzieren. Aber in der Karibik kreuzen englische Kriegsschiffe des Admirals Charles Wager. Fernández de Santillana wagt trotzdem den Aufbruch und wird am 8. Juni von Wagers Flotte vor der Insel Rosario an der kolumbianischen Küste gestellt. Nach einer erbitterten Schlacht sinkt seine „San José“auf den Meeresgrund und mit ihr Millionen Gold- und Silbermünzen, 200 Tonnen Smaragde und wertvolles Geschmeide. Nur eine Handvoll der 600 Besatzungsmitglieder überlebt.
Jahrzehnte lang hatten Schatzsucher das Schiff aufzuspüren versucht, doch sie fanden lediglich andere Schiffswracks. Jetzt haben Wissenschaftler des kolumbianischen Instituts für Anthropologie und Geschichte und Experten der kolumbianischen Marine Teile des Wracks vor der Karibikküste entdeckt. „Es ist einer der größten, wenn nicht der größte Fund von gesunkenen Kulturgütern in der Menschheitsgeschichte“, sagte Präsident Juan Manuel Santos am Samstag euphorisch in der Hafenstadt Cartagena. Er will sogar ein Museum gründen, um all die Schätze auszustellen.
Das US-Unternehmen Sea Search Armada hatte bereits in den 1980er Jahren beansprucht, das Wrack geortet zu haben. Die Firma wollte den Schatz damals heben und beanspruchte die Hälfte des Gewinns, was die damalige Regierung ablehnte. Danach gab es einen erbitterten juristischen Schlagabtausch um die „San José“. Der Rechtsstreit ging durch verschiedene internationale Institutionen, im Oktober 2011 wies ein US-Gericht schließlich alle Ansprüche von Sea Search Armada als unbegründet zurück. Bei der Suche nach dem Wrack setzte Kolumbien nun auf modernste Technik und ausgewiesene Experten. „Es war eine enorme Anstrengung, an der viele Menschen beteiligt waren“, sagte Kulturministerin Mariana Garcés. Einer der beteiligten Forscher war demnach bereits 1985 bei der Entdeckung der „Titanic“dabei. Mit Sonar, Spezialkameras und Unterwasserdrohnen orteten die Wissenschaftler die Wrackteile schließlich auf dem Meeresgrund. Sie erforschten zudem die Winde und Strömungen, die vor 307 Jahren in der Region geherrscht hatten. Die genauen Koordinaten des Fundes hält die kolumbianische Regierung aus Angst vor Schatzsuchern geheim. Dass es sich aber tatsächlich um die vor über 300 Jahren gesunkene „San José“handelt, steht für den Leiter des Instituts für Anthropologie und Geschichte außer Frage. „Die Kanonen aus Bronze, die wir entdeckt haben, wurden speziell für die Galeone ,San José‘ gegossen“, sagte Ernesto Montenegro. „An der Identität des archäologischen Funds gibt es keinen Zweifel.“Ob die Wissenschaftler den vermeintlichen Millionenschatz jedoch wirklich heben können, ist unklar. Bislang haben sie nur Kanonen, Waffen und Gefäße aus Keramik entdeckt. Es könne noch Jahre dauern, bis die Artefakte ans Tageslicht gebracht werden, kündigte das Präsidialamt an. So lange muss über den Schatz und seinen Wert spekuliert werden: Die Schätzungen reichen von drei bis 17 Milliarden US-Dollar.