Wer anderen eine Grube gräbt
Kopfschüttelnd, fassungslos und angewidert reagiert die Welt auf das, was die Enthüllungen um den Weltfußballverband zutage fördern. Demnach hat fast jeder an der Fifa-Spitze bestochen und betrogen. Entweder zum persönlichen Vorteil oder zu dem des eigenen Verbandes. Man muss kein großer Moralist sein, um darüber Brechreiz zu verspüren. Umso mehr überrascht es, dass sich dasselbe Prinzip an der Fußballbasis eingenistet hat, ohne dass Spieler, Trainer und Zuschauer sich genauso angewidert davon abwenden. Mag der Betrüger den Schiedsrichter getäuscht und den Gegner übers Ohr gehauen haben – er wird noch reichlich Publikum finden, das ihn als Schlitzohr entschuldigt oder als abgezockten Profi beklatscht. Olé, olé!
Dass der Profi die Moral unter den Erfolg pflügt, war selten so bildhaft zu beobachten wie in Köln. Dort hat Augsburgs Torhüter Hitz den Rasen am Elfmeterpunkt, vom Schiedsrichter unbemerkt, mit seinen Stollenschuhen aufgelockert. Kölns Modeste rutschte weg, und Hitz wehrte den Ball ab. Möglicherweise wäre das Hitz auch ohne eine Falle geglückt, weil er einen großartigen Tag erwischt hatte. Aber der Profi denkt: Sicher ist sicher.
Wer dem FCA wohlgesonnen ist, wird sagen, dass Hitz lediglich ein Unrecht mit einem anderen vergolten habe. Schließlich war Kölns Hosiner vorsätzlich zu Boden gegangen, um einen Strafstoß zu ergaunern. Auch das hat funktioniert. Später schlug der Augsburger Kohr mit einem inszenierten Schwächeanfall zurück. Den folgenden Freistoß zirkelte Bobadilla zum Augsburger 1:0-Sieg ins Tor. Kölns Keeper Horn hatte vergessen, die Freistoßstelle umzugraben. Dass Caiuby trotz Nachfrage des Unparteiischen einen Eckball verleugnet hatte, war an diesem Tag fraglos zu viel des Schlechten, kommt aber auch andernorts vor.
Das alles wäre nicht so schlimm, hätte sich der Fußball nicht „Fair Play“auf die Fahnen geschrieben. Schön, dass er damit einen gesellschaftlichen Auftrag übernommen hat. Schade, dass er ihn nicht einmal an der eigenen Basis erfüllt. Solange Spieler, Trainer und Zuschauer den Erfolg über alles stellen, liefern sie das Motiv für den Betrug. Der Fisch stinkt nicht nur vom Fifa-Kopf weg, er modert auch von unten her. Wer am Wochenende Jugendfußball schaut, erlebt Trainer, die ihrem Nachwuchs eindrucksvoll vorführen, wie man einen Schiedsrichter zur Schnecke macht oder sich besonders geschickt im Strafraum fallen lässt. Der eine oder andere dieser Jungen wird irgendwann einmal in der Bundesliga ankommen und dann einen Spaten mitbringen. Vielleicht wird er auch nur Fifa-Präsident.