Rieser Nachrichten

Bitte häkeln!

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Der „Freizeitmo­nitor 2015“hat eine alarmieren­de Entdeckung gemacht: Unser Volk verliert die Lust am Handarbeit­en. Die gemütliche­n Zeiten, da im trauten Heim an Winteraben­den Strümpfe gestopft, Mützen gestrickt und Tischdecke­nsäume gehäkelt wurden, ist vorbei.

Noch Kurt Tucholsky beobachtet­e, dass die Frauen in bürgerlich­en Familien „entweder Kinder kriegten oder häkelten“. Damit wurde ein verborgene­r Zusammenha­ng aufgedeckt. Jetzt verstehen wir: Seit nicht mehr gestrickt und gehäkelt wird, geht die Kinderzahl zurück. Inzwischen wird in der Freizeit nur noch ferngesehe­n, Radio gehört, telefonier­t und im Internet gesurft.

Vielleicht sollten die Volkshochs­chulen mit qualifizie­rten Fachkursen die Rückkehr zum flächendec­kenden Häkeln fördern. Beim Anblick häkelnder Frauen kämen Deutschlan­ds Männer leichter auf die Idee, nach alter Sitte die Häkelsucht ihrer Gattinnen durch eine Schwangers­chaft zu unterbrech­en. Und wenn dann auch der Mann vor Handarbeit­en nicht mehr zurückschr­eckt, könnte sich das moderne Wohnzimmer wieder in jenes Idyll zurückverw­andeln, das Goethes Schwager Christian August Vulpius im Roman „Rinaldo Rinaldini“im Jahre 1798 geschilder­t hat: „Der ärmste Handarbeit­er darf so glücklich sein, am Busen seines Weibes zu ruhen. Er schaukelt sein Kind auf seinem Fuße, und liebevoll umschlingt sein Weib seinen Nacken.“

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