Ein neuer Schlag gegen die Sparer
Bayerns Sparkassenpräsident Netzer übt Kritik an den Beschlüssen der Europäischen Zentralbank. Ifo-Präsident Sinn rügt „Rettung von Zombiebanken“
Die jüngsten Entscheidungen von Europas Zentralbank (EZB) führen zu scharfer Kritik: „Die Null- und Negativzinsen untergraben das Kapitalwachstum und die Motivation zu sparen“, warnt Ulrich Netzer. Der Präsident der bayerischen Sparkassen ergänzt: „Über ein Viertel der Bayern trifft keine finanzielle Vorsorge mehr fürs Alter.“Die EZB hatte nicht nur den Leitzins auf null gesetzt. Sie will auch noch mehr Milliarden in den Markt pumpen, die Banken, die Geld bei ihr parken, mit höheren Strafzinsen belegen und ihnen billige Kredite zur Verfügung stellen.
Mit diesem Maßnahmenkatalog, den viele Experten als neuen Schlag gegen die Sparer werten, will die EZB die Kreditvergabe im Euroraum ankurbeln und so Konjunktur und Inflation befördern. Hans-Werner Sinn hält von dem Plan nichts: „Dass die EZB nun beschlossen hat, den konkursgefährdeten Banken Südeuropas Langfristkredite zu einem negativen Zins von 0,4 Prozent zu geben, beweist einmal mehr, dass sie eine fiskalische Umverteilungspolitik zur Rettung von Zombiebanken und fast konkursreifen Staaten betreibt.“Für den scheidenden Präsidenten des Münchner Ifo-Instituts ist das keine Geldpolitik mehr. Die EZB wage sich vielmehr, „gedeckt durch den Europäischen Gerichtshof“, immer weiter über die Grenzen ihres Mandats hinaus. Damit sei es noch nicht genug. Er sieht schon weitere Schritte „dieser Art“. Indem die EZB den 500-Euro-Schein abschaffen will, solle das Ansammeln von Bargeld noch teurer wer- den. „Das ist eine völlig verfehlte Politik“, sagt Sinn. Auch die Ausweitung der Anleihekäufe von 60 auf 80 Milliarden Euro pro Monat ist seiner Ansicht nach falsch. Denn: „Mehr Wasser hilft nicht, wenn die Pferde nicht saufen wollen.“
Sparkassenpräsident Netzer sieht durch die weitere Öffnung der Geldschleusen eine steigende Gefahr der Blasenbildung. Wolfgang Gerke warnte in der Passauer Neuen Presse ebenfalls: „Es braucht nur ein ungünstiges Ereignis – und plötzlich reagieren die Märkte über“, sagte der Präsident des Bayerischen Finanzzentrums. Dies kann seiner Ansicht nach auch in Deutschland zu „einem Crash führen, wie wir ihn zuletzt in den USA erlebt haben“. Auch dort seien die Immobilien- märkte durch eine ähnliche Politik der Notenbank heiß gelaufen.
Wer sich vor dem Hintergrund der Niedrigzinsen fragt, wo er noch investieren kann, dem rät Sparkassenpräsident Netzer, sich auch Wertpapiere anzusehen. Man müsse sich ja nicht gleich direkt mit Aktien beschäftigen. „Es gibt auch Fonds, mit denen ich ganz gezielt mein Risiko steuern kann.“(mit dpa, afp)
Das Interview im Wortlaut und eine Erklärung der EZB-Beschlüsse lesen Sie im Ressort
„Durch die weitere Öffnung der Geldschleusen erhöht sich die Gefahr von Blasen.“
Bayerns Sparkassenpräsident Ulrich Netzer