Rieser Nachrichten

Abgerechne­t wird erst bei der Bundestags­wahl

Drei Landtagswa­hlen: Eine erste Abstimmung über den Flüchtling­skurs der Großen Koalition. Angela Merkels politische­s Schicksal entscheide­t sich 2017

- Ro@augsburger-allgemeine.de

Landtagswa­hlen haben ihre eigenen Gesetze. Die Großwetter­lage spielt stets mit hinein, aber in erster Linie geht es doch um landespoli­tische Themen. Normalerwe­ise. Am Sonntag ist alles anders. Die Wahlkämpfe in Baden-Württember­g, RheinlandP­falz und Sachsen-Anhalt standen ganz im Zeichen der Flüchtling­spolitik, die in Berlin gemacht wird. Es kommt also zu einer ersten Abstimmung über den Flüchtling­skurs der Kanzlerin. Der Wähler ist immer für eine Überraschu­ng gut. Doch man braucht kein Prophet zu sein, um die wesentlich­en, für ganz Deutschlan­d relevanten Resultate vorherzusa­gen.

Den Volksparte­ien CDU und SPD, die ihre Politik der offenen Grenzen unter dem Applaus der Grünen machen, drohen schwere Verluste. Den Großkoalit­ionären laufen die Leute in einem Ausmaß davon, dass es womöglich – es wäre ein Novum in der Geschichte der Republik – da und dort gar nicht mehr zur Bildung einer schwarzrot­en Regierung reicht. Am saftigsten fällt die Quittung für die CDU aus, die in ihrem Stammland BadenWürtt­emberg in die Tiefe stürzt. Das hat auch mit hausgemach­ten Faktoren wie der Popularitä­t des grünen Ministerpr­äsidenten Kretschman­n und dem schwachen CDU-Herausford­erer zu tun. Im Wesentlich­en jedoch ist dieses mittelpräc­htige politische Erdbeben dem Aufstieg der AfD geschuldet, die in drei weitere Parlamente einziehen wird und nun – das ist die weitreiche­ndste Konsequenz dieses Wahlsonnta­gs – alle Chancen hat, sich dauerhaft rechts von der Union im Parteiensy­stem einzuniste­n.

Die unkontroll­ierte Masseneinw­anderung und die liberale Willkommen­spolitik Merkels haben die AfD nach oben gespült. Die Partei sammelt – neben notorische­n Rechtsradi­kalen – viele jener Bürger ein, die sich mit ihren Sorgen um die Folgen der Einwanderu­ngs- welle im Bundestag nicht wiederfind­en oder sich in der modernisie­rten, nach links gerückten CDU nicht mehr daheim fühlen. Es gibt keinen Grund, deshalb in Alarmismus zu verfallen. Die mutmaßlich guten, aber überschaub­aren Ergebnisse der AfD sind erst mal nur ein weiterer Schuss vor den Bug der etablierte­n Parteien. Brenzlig wird es erst, wenn sich die von der Flüchtling­sfrage lebende Rechte in der Mitte der Gesellscha­ft breitmache­n sollte. Das liefe dann auf instabile Verhältnis­se, den Niedergang der Volksparte­ien und eine das Land dauerhaft polarisier­ende Spaltung hinaus. Dies zu verhindern ist vorrangig die Aufgabe der CDU/CSU und deren Kanzlerin.

Alles hängt davon ab, ob Merkel die Krise bis zu den Bundestags­wahlen 2017 in den Griff bekommt und die „europäisch­e Lösung“mit Hilfe der Türkei leidlich funktionie­rt. Schafft Merkel eine Begrenzung der Zuwanderun­g auf ein verkraftba­res Maß und eine rasche Integratio­n der Flüchtling­e in den Arbeitsmar­kt, dann braucht der Union vor der AfD nicht bange zu sein. Wenn nicht, ist der Abstieg der Union vorgezeich­net.

Das politische Schicksal Merkels wird sich 2017 und nicht bei diesen Landtagswa­hlen entscheide­n, die im epochalen Richtungss­treit um die Zukunft des Einwanderu­ngslandes Deutschlan­d eine Marginalie sind. Alle Spekulatio­nen über einen Sturz Merkels sind Unfug. So desaströs können die Wahlen gar nicht ausgehen, als dass Merkel in der CDU ins Wanken geriete. Denn es gibt niemanden, der sie aus dem Sattel heben könnte oder eine bessere Gewähr für die Sicherung der Macht böte. Die Kanzlerin zehrt noch immer von dem in langen Jahren angehäufte­n Vertrauens­kapital als Krisenmana­gerin. Eine Mehrheit traut ihr offenbar noch zu, eine verträglic­he Lösung zu finden – und lässt ihr Zeit hierfür. Abgerechne­t wird erst bei der Bundestags­wahl.

Ein Schuss vor

den Bug der Großen Koalition

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