Kassen drehen an Beitragsschraube
Weil ihre Ausgaben schneller steigen als die Einnahmen, werden die gesetzlichen Versicherungen ihre Sätze weiter erhöhen. 20 Euro im Monat sind da schnell weg
Unsere Gesundheit ist ein teures Gut – im wahrsten Sinne des Wortes. Nachdem die gesetzlichen Krankenkassen im vergangenen Jahr erneut ein Minus von mehr als einer Milliarde Euro eingefahren haben, drehen sie weiter an der Beitragsschraube. Die sogenannten Zusatzbeiträge, die alleine die Versicherten zu tragen haben, werden auch in den nächsten Jahren steigen.
Die Wirtschaft brummt, die Zahl der Beschäftigten steigt und steigt. Müssten die Krankenkassen da nicht im Geld schwimmen?
Theoretisch ja, praktisch nein. Zwar sind ihre Einnahmen im Geschäftsjahr 2015 von 204 auf gut 212 Milliarden Euro geklettert – ihre Ausgaben jedoch addierten sich gleichzeitig auf mehr als 213 Milliarden Euro. Am stärksten gestiegen sind die Kosten für Ärzte und Arzneimittel. So gaben die Kassen alleine für neu zugelassene Medikamente zur Behandlung von Hepatitis B 700 Millionen Euro mehr aus als ein Jahr zuvor.
Bereits zum Jahreswechsel haben viele Kassen den sogenannten Zusatzbeitrag erhöht. Wie weit soll er denn noch steigen?
Im Moment liegt er durchschnittlich bei 1,1 Prozentpunkten – das ist der Aufschlag auf die Kassenbeiträge, den die Versicherten alleine zu tragen haben. Den allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte. Alles, was darüber hinausgeht, holt sich die Kasse bei ihren Mitgliedern. Doris Pfeiffer, die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes der gesetzlichen Kassen, hat ihre Mitarbeiter bereits rechnen
Danach dürfte der Zusatzbeitrag bis zum Jahr 2020 auf durchschnittlich 1,8 Prozent steigen. Bei einem Bruttoeinkommen von 3000 Euro wären das dann zusätzliche Kosten von 21 Euro pro Monat.
Angeblich sitzen die Kassen auf hohen Reserven. Warum steigen die Beiträge trotzdem?
Insgesamt hatten die Kassen Ende vergangenen Jahres 14,5 Milliarden Euro auf der hohen Kante, dazu kommen zehn Milliarden Euro im sogenannten Gesundheitsfonds, der die Beiträge der Versicherten und den staatlichen Zuschuss an die Kassen verteilt. Abgesehen davon, dass sie gesetzlich verpflichtet sind, Rücklagen zu bilden: Auch die Reserven sind geschmolzen, alleine im Jahr 2015 um rund fünf Milliarden Euro. Einige Kassen haben ihren Notgroschen benutzt, um ihre Zusatzbeiträge niedrig zu halten und sich so einen Vorteil im Wettbewerb mit anderen Versicherungen zu verschaffen. Auf Dauer jedoch kann es sich keine Kasse leisten, ihren Beitragssatz aus den Rücklagen zu subventionieren. Außerdem bekommen auch die Krankenkassen die Folgen der Niedrigzinspolitik zu spüren: Weil sich auf den Konten des Gesundheitsfonds nach dem Einzug der Beiträge kurzfristig hohe Summen ansammeln, verlangen die Banken Strafzinsen. Im vergangenen Jahr waren das 1,8 Millionen Euro.
Wirtschaften die privaten Krankenkassen eigentlich besser? Sie wer-
Im Moment haben sie sogar die größeren Probleme: Die DKV hat gerade erst Beitragserhöhungen von durchschnittlich knapp acht Prozent angekündigt. Auch die privaten Kassen mit ihren insgesamt knapp neun Millionen Vollversicherten haben mit steigenden Kosten und den stark gesunkenen Zinserträgen für ihre milliardenschweren Rücklagen zu kämpfen, dazu kommt das stark nachlassende Neugeschäft. Im extremsten Fall steigt der Beitrag bei der DKV am 1. April um 130 Euro im Monat. Über alle privaten Assekuranzen hinweg erwartet der Branchendienst Map-Report für dieses Jahr einen Anstieg der Beiträge um durchschnittlich 4,1 Prozent.