Schweigen im ORF
Österreichs Parteien kämpfen um die Macht des TV-Senders. Die Zuschauer merken es
Die Nachrichtensendung „Zeit im Bild“ist weit über die Grenzen Österreichs dafür bekannt, dass Politiker live im Studio in Interviews oft hart und kritisch in die Mangel genommen werden. Doch seit vergangener Woche wundern sich viele Zuschauer, was da in dem Fernsehstudio vor der blauen ErdkugelKulisse vor sich geht. Der üblicherweise sehr streitbare Chefmoderator der „ZiB“, Armin Wolf, verzichtete unübersehbar darauf, Außenminister Sebastian Kurz zu widersprechen, als dieser den live beschuldigte, nicht vollständig über die griechische Flüchtlingspolitik zu berichten. In Zeiten der „Lügenpresse“-Diskussion ist das schließlich ein heftiger Vorwurf.
Seitdem rätselt Österreich: Schwieg Wolf aus Protest oder hat er einen Maulkorb bekommen? Denn im August wird ein neuer Generaldirektor für den
gewählt. SPÖ und ÖVP ringen heftig darum, wer den eigenen Kandidaten durchbringt. Ob der „rote“Generaldirektor Alexander Wrabetz im Amt bleiben darf oder gehen muss.
Die Stimmung in den Redaktionen sei so schlecht wie selten, heißt es. Aufmerksam wurde verfolgt, wie auch ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner in der „ZiB“kritisierte, dass der nach dem Vorbild der „Anne Will“-Sendung SPÖKanzler Werner Faymann als einzigen Gast in die Sonntagabend-Talkshow „Im Zentrum“eingeladen hat. Vor laufender Kamera nannte Mitterlehner den unwidersprochen einen „Bestellfunk“. Er wünsche sich „dasselbe, was der Herr Bundeskanzler wünscht“, sagte Mitterlehner, nämlich mehr Zeit auf dem Bildschirm. Die im Umfragetief steckende ÖVP fürchtet, dass Faymann allein die öffentlichen Lorbeeren für die Schließung der Balkanroute einheimsen möchte.