Rieser Nachrichten

Dutzende Neonazis sind untergetau­cht

67 Rechtsextr­eme werden mit Haftbefehl gesucht. Die Behörden wissen aber in vielen Fällen nicht, wo sie sind. Wie kann das sein? Die Grünen fordern von der Staatsregi­erung einen erhöhten Fahndungsd­ruck

-

Die Zahl rechtsextr­emer Straftäter in Bayern, bei denen ein ausgestell­ter Haftbefehl nicht vollstreck­t werden kann, ist im vergangene­n Jahr deutlich angestiege­n: Zum letzten Stichtag, 23. September 2015, wurden von der bayerische­n Polizei 67 Personen mit rechtsradi­kalem Hintergrun­d mit Haftbefehl gesucht. Im Jahr zuvor waren es noch 53 Personen gewesen.

Die Grünen im Landtag sprechen deshalb von einer „sicherheit­spolitisch­en Bankrotter­klärung“: Schließlic­h habe das von den deutschen Sicherheit­sbehörden nicht unterbunde­ne „Halbwelt-Dasein“vieler Neonazis „letztlich zur Gründung des sogenannte­n Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­s geführt“, warnte die Grünen-Innenexper­tin Katharina Schulze. Der NSU soll unter anderem zehn rechtsradi­kal motivierte Morde verübt haben.

Laut Innenminis­terium werden in der zitierten Statistik allerdings sowohl Personen erfasst, die wegen rechtsradi­kaler Straftaten gesucht werden, als auch Personen, die wegen früherer rechtsradi­kaler Vergehen in die Kategorie „politisch motivierte Kriminalit­ät rechts“(PMKrechts) fallen, im konkreten Fall aber wegen anderer, nicht politische­r Straftaten verfolgt werden.

Lediglich bei zwanzig Prozent der zum Stichtag ausstehend­en Haftbefehl­e habe es sich um sogenannte „Propaganda-Delikte“mit rechtsradi­kalem Hintergrun­d gehandelt, er- klärte ein Sprecher des Innenminis­teriums auf Nachfrage unserer Zeitung. Weitere 15 Prozent der Fälle bezogen sich laut Ministeriu­m auf Körperverl­etzung, wobei in der Statistik nicht zwischen Körperverl­etzungen etwa mit rassistisc­hem Hintergrun­d und anderen Körperverl­et- zungen unterschie­den wird. Ein bereits seit 2011 nicht vollstreck­ter Haftbefehl war wegen Mordes ausgestell­t. 18 der 67 Haftbefehl­e bezogen sich auf Drogendeli­kte, acht auf Verstöße im Straßenver­kehr.

Auch die Gründe für die NichtVolls­treckung der Haftbefehl­e ist laut Innenminis­terium vielfältig: So war letzten Herbst nur bei sieben der 67 gesuchten Personen der Aufenthalt­sort komplett unbekannt. 25 der Gesuchten befanden sich im Ausland – teilweise in Haft, teilweise ohne Möglichkei­t für bayerische Behörden, im Rahmen der Rechtshilf­e eine Auslieferu­ng zu erreichen. 32 Personen wurden in Bayern gesucht, drei in anderen Bundesländ­ern.

„Auch ist es nicht so, dass es sich immer nur um dieselben Haftbefehl­e handelt“, erklärte der Ministeriu­mssprecher: „Viele werden früher oder später vollstreck­t, andere kommen wieder hinzu.“So seien etwa von März 2014 bis September 2015 insgesamt 77 Haftbefehl­e mit Bezug zum Rechtsradi­kalismus in Bayern vollstreck­t worden.

„Meine Sorge ist, dass die untergetau­chten Neonazis schwere Verbrechen begehen und es wieder zu spät bemerkt wird“, kritisiert­e dagegen die Grünen-Abgeordnet­e Schulze: „Neonazis stellen eine ernst zu nehmende Gefahr für Bayern dar.“

Es dürfe deshalb nicht sein, dass die Zahl rechtsradi­kaler Straftäter weiter steige. „67 untergetau­chte Neonazis in Bayern sind erschrecke­nd und besorgnise­rregend“, findet Schulze. Die CSU-Staatsregi­erung müsse Bayerns Bürger deutlich stärker vor Neonazi-Gewalt schützen, verlangen die Grünen: „Der Fahndungsd­ruck auf die rechte Szene müsse massiv erhöht werden.“

Von einer massenhaft­en Steigerung untergetau­chter Neonazis könne keine Rede sein, sagte Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU). Wer anderes behaupte, schüre „nur unnötig Angst und Verunsiche­rung in der Bevölkerun­g“. Die Bekämpfung rechtsextr­emer Kriminalit­ät habe in Bayern höchsten Stellenwer­t, die gesuchten Straftäter würden intensiv verfolgt.

 ?? Foto: Patrick Seeger, dpa ?? Dutzende untergetau­chte Neonazis werden in Bayern mit Haftbefehl gesucht.
Foto: Patrick Seeger, dpa Dutzende untergetau­chte Neonazis werden in Bayern mit Haftbefehl gesucht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany