Und wer zahlt?
Die sichtbaren Schäden des Tornados vom Mai vergangenen Jahres sind im Landkreis Aichach-Friedberg weitgehend beseitigt. Doch noch immer warten Opfer auf Hilfsgelder
Es war die größte Katastrophe in der Geschichte des Landkreises Aichach-Friedberg: der Tornado, der am Abend des 13. Mai 2015 verheerende Schäden angerichtet hat. Fast zehn Monate später sind die Folgen der Naturkatastrophe kaum noch sichtbar. Doch die Schäden sind bis heute nicht komplett aufgearbeitet. Das trifft vor allem in finanzieller Hinsicht zu.
Mit einer Geschwindigkeit von 200 Stundenkilometer rast der Tornado am Vorabend des ChristiHimmelfahrts-Tages durch den Norden des Wittelsbacher Landes. Sieben Menschen werden verletzt. Angesichts der Verwüstungen, die innerhalb einer Viertelstunde entstehen, grenzt es an ein Wunder, dass es keine Toten gab. In ersten Schätzungen ist von 40 Millionen Euro Schaden die Rede. Später korrigiert Landrat Klaus Metzger diese Zahl auf bis zu 100 Millionen Euro. Eine exakte Summe wird wohl nie zu ermitteln sein.
Am meisten betroffen ist die Gemeinde Affing im Nordosten von Augsburg. Hier hat der Tornado 220 Gebäude beschädigt, zwölf davon sind nicht mehr zu retten. In Affing ist in den vergangenen Monaten viel geschehen. Die Häuser sind repariert oder wieder aufgebaut. „Das ist im Großen und Ganzen erledigt, Gott sei Dank“, sagt Bürgermeister Markus Winklhofer. Nur vereinzelt gebe es noch Bautätigkeiten oder echte Lücken.
In der Gemeindeverwaltung ist der Tornado trotzdem jeden Tag ein Thema. Seit Wochen bewerten zwei Mitarbeiter die 167 Anträge von Betroffenen auf Spendenauszahlung. Die Katastrophe hat eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. In den Tagen danach rückten nicht nur freiwillige Helfer von überall her an, sondern es flossen auch Spenden. Bis Jahresende waren es rund 750 000 Euro. Nur ein kleiner Teil ist bislang ausbezahlt. Der Löwenanteil muss nun gerecht verteilt werden. Doch das geht erst, wenn alle Ansprüche feststehen. Die zu ermitteln, ist eine „Heidenarbeit“, sagt Winklhofer. Obwohl es ein Konzept gibt und eine Kommission. Die befasst sich mit Härtefällen. Sieben Tornado-Opfer hoffen darauf, beim Spendentopf als solche eingestuft zu werden.
Die Betroffenen brauchen also Geduld, bis Geld fließt. Das trifft zum Teil auch auf die staatlichen Hilfen zu. Die hatte der Freistaat schon wenige Tage nach der Katastrophe zugesagt. Sofortgeld (zum Beispiel für Privatpersonen 1500 Euro) und Soforthilfe (bis zu 5000 Euro) sind rasch geflossen. Bis Anfang Oktober hatte der Freistaat über das Landratsamt 820 000 Euro ausgezahlt. Doch die Entscheidung, wer Geld aus dem Härtefonds be- kommt, zieht sich hin. Hoffnung darauf haben sich einige gemacht. 16 Anträge sind laut Wolfgang Müller, Pressesprecher des Landratsamtes, eingegangen. Doch die Kriterien sind eng gesteckt: Es muss eine existenzielle Notlage vorliegen. Inzwischen sind nur drei Anträge übrig geblieben. Darüber entscheidet eine eigens eingerichtete Kommission.
Müller weiß, dass manche Hoffnung nicht erfüllt wurde. Man habe aber die Vorgabe des Staates und könne Mittel nicht „nach Lust und Laune“auszahlen. Es handle sich um Steuergelder und „wir müssen es vertreten können, wenn der staatliche Rechnungsprüfer kommt“. Gerade für die nicht oder unterversicherten Tornadoopfer bedeutet das, dass sie für den Großteil ihrer Schäden selbst aufkommen müssen.
Im Landratsamt in Aichach geht’s derweil schon um die Rückabwicklung der staatlichen Unterstützung. Denn von Anfang an war klar: Betroffene, die Geld von einer Versicherung erhalten, müssen die früh geflossene Hilfe des Staates ganz oder teilweise zurückgeben. Das ist eine aufwendige Sache für die Behörde. „Man muss jeden Fall einzeln prüfen“, sagt Müller. Der Landkreis Aichach-Friedberg ge- hört übrigens selbst zu denjenigen, die sich Geld vom Freistaat erhoffen. Die Entsorgung des gesamten Bauschutts hat 500 000 Euro gekostet, knapp 200 000 Euro Einsatzkosten sind aufgelaufen. Ein Signal vom Freistaat steht indes noch aus.
Über den Landkreis Augsburg habe man rund 140000 Euro an staatlicher Unterstützung ausgezahlt, berichtet Kreiskämmerer Gunther Füßle. Besonders betroffen von dem Tornado war hier Stettenhofen, ein Ortsteil der Gemeinde Langweid. Notfallkoordinator Helmut Gensberger, der Geschäftsleitende Beamte von Langweid, sagt, dass die Reparaturarbeiten inzwischen fast abgeschlossen seien: „Der Großteil der beschädigten Gebäude ist wiederhergestellt. Nur einige Dachgeschosse werden aktuell noch repariert.“
Die Spenden in Höhe von knapp 115000 Euro seien im Oktober vergangenen Jahres komplett verteilt worden, erklärt die stellvertretende Langweider Kämmerin Tanja Bihler. Nach einem Antragsverfahren, über das ein Gremium entschied, hätten insgesamt 29 Antragssteller Gelder erhalten.
Derzeit befänden sich noch vier betroffene Parteien in einer Unterbringung in Gersthofen. Doch Gensberger hat gute Neuigkeiten: „Sie bereiten sich derzeit auf ihren Umzug zurück nach Stettenhofen vor.“
Manche Hoffnungen wurden nicht erfüllt