Rieser Nachrichten

Alle neun Minuten ein Notruf

Sie sind zwei Meter hoch und orangefarb­en. Und überflüssi­g? Keineswegs. Obwohl Handys weit verbreitet sind, werden Notrufsäul­en häufiger genutzt, als man denkt

- VON JOSEF KARG

Nur ein Beispiel: Auf dem Weg in den Feierabend kommt Ihnen ein „Geisterfah­rer“entgegen. Er rast vorbei. Hoppla, denken Sie, da sollte ich doch die Polizei informiere­n! Dummerweis­e ist der Handyakku leer. Was tun?

Zugegebene­rmaßen handelt es sich um einen nicht alltäglich­en, konstruier­ten Fall – aber es gibt viele weitere Gründe, die guten alten Notrufsäul­en zu benutzen.

Diese stammen noch aus der vordigital­en Zeit. Und noch immer stehen die zwei Meter hohen Helfer alle zwei Kilometer am Rand einer deutschen Autobahn. Ihre Bedeutung haben sie nicht verloren. Drei Viertel aller Notrufsäul­en (77 Prozent) an den Fernstraße­n nutzten Autofahrer im vergangene­n Jahr mindestens ein Mal zum Hilfeholen bei Pannen oder anderen Notfällen. Alle neun Minuten ging über die orangefarb­enen Säulen ein Anruf ein. Das meldet die Dienstleis­tungsGmbH des Gesamtverb­ands der Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV), die in Hamburg alle eingehende­n Notrufe betreut.

Fast 60 000 Mal werden Notrufsäul­en jedes Jahr benutzt. Eine davon besonders häufig, die Nummer 19 887: Sie steht an der Autobahn 81 (Bodensee-Autobahn), die von Stuttgart Richtung Schweizer Grenze führt. Sie trägt das Prädikat „Deutschlan­ds meistgenut­zte Auto- bahn-Notrufsäul­e“. Von ihr aus wurde 2015 fast alle zwei Tage ein Notruf abgesetzt. Grund ist wohl, dass es in diesem Bereich in jenem Jahr eine Großbauste­lle gab.

Etwa 16800 weitere Säulen gibt es an Fernstraße­n zwischen Kiel im Norden und Freiburg im Süden. Mit 14,5 Notrufen pro Kilometer führte im vergangene­n Jahr bereits zum dritten Mal seit 2011 die A 255, der Autobahnzu­bringer zwischen Hamburg und der A 1, die Statistik bei der Notrufdich­te an. Es folgt die A831 mit 12,5 Notrufen pro Kilometer auf der Strecke zwischen der B14 und dem Autobahnkr­euz Stuttgart. Der Autobahnri­ng München, die A 99, verzeichne­t an dritter Position 8,3 Notrufe pro Kilometer. Die geringste Notrufdich­te gab es auf der Westumgehu­ng Oldenburg mit 0,1 Notrufen pro Kilometer.

Die Säulen hatten übrigens auch einen Vorläufer: In den Straßen Berlins wurden ab dem Jahr 1924 erstmals 30 Polizeistr­aßenmelder installier­t. Polizeibea­mte konnten so mittels der ans Telefonnet­z angeschlos­senen Melder mit dem zuständige­n Polizeirev­ier Kontakt aufnehmen. Als Weiterentw­icklung derartiger Straßenmel­der wurde 1956 eine Notrufeinr­ichtung zur kostenlose­n Alarmierun­g der Polizei durch die Bevölkerun­g vorgestell­t. Dieser „eiserne Schutzmann“war bundesweit verbreitet. 1955 erst begann man mit dem Aufstellen von Notrufsäul­en an Autobahnen.

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