Alle neun Minuten ein Notruf
Sie sind zwei Meter hoch und orangefarben. Und überflüssig? Keineswegs. Obwohl Handys weit verbreitet sind, werden Notrufsäulen häufiger genutzt, als man denkt
Nur ein Beispiel: Auf dem Weg in den Feierabend kommt Ihnen ein „Geisterfahrer“entgegen. Er rast vorbei. Hoppla, denken Sie, da sollte ich doch die Polizei informieren! Dummerweise ist der Handyakku leer. Was tun?
Zugegebenermaßen handelt es sich um einen nicht alltäglichen, konstruierten Fall – aber es gibt viele weitere Gründe, die guten alten Notrufsäulen zu benutzen.
Diese stammen noch aus der vordigitalen Zeit. Und noch immer stehen die zwei Meter hohen Helfer alle zwei Kilometer am Rand einer deutschen Autobahn. Ihre Bedeutung haben sie nicht verloren. Drei Viertel aller Notrufsäulen (77 Prozent) an den Fernstraßen nutzten Autofahrer im vergangenen Jahr mindestens ein Mal zum Hilfeholen bei Pannen oder anderen Notfällen. Alle neun Minuten ging über die orangefarbenen Säulen ein Anruf ein. Das meldet die DienstleistungsGmbH des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft (GDV), die in Hamburg alle eingehenden Notrufe betreut.
Fast 60 000 Mal werden Notrufsäulen jedes Jahr benutzt. Eine davon besonders häufig, die Nummer 19 887: Sie steht an der Autobahn 81 (Bodensee-Autobahn), die von Stuttgart Richtung Schweizer Grenze führt. Sie trägt das Prädikat „Deutschlands meistgenutzte Auto- bahn-Notrufsäule“. Von ihr aus wurde 2015 fast alle zwei Tage ein Notruf abgesetzt. Grund ist wohl, dass es in diesem Bereich in jenem Jahr eine Großbaustelle gab.
Etwa 16800 weitere Säulen gibt es an Fernstraßen zwischen Kiel im Norden und Freiburg im Süden. Mit 14,5 Notrufen pro Kilometer führte im vergangenen Jahr bereits zum dritten Mal seit 2011 die A 255, der Autobahnzubringer zwischen Hamburg und der A 1, die Statistik bei der Notrufdichte an. Es folgt die A831 mit 12,5 Notrufen pro Kilometer auf der Strecke zwischen der B14 und dem Autobahnkreuz Stuttgart. Der Autobahnring München, die A 99, verzeichnet an dritter Position 8,3 Notrufe pro Kilometer. Die geringste Notrufdichte gab es auf der Westumgehung Oldenburg mit 0,1 Notrufen pro Kilometer.
Die Säulen hatten übrigens auch einen Vorläufer: In den Straßen Berlins wurden ab dem Jahr 1924 erstmals 30 Polizeistraßenmelder installiert. Polizeibeamte konnten so mittels der ans Telefonnetz angeschlossenen Melder mit dem zuständigen Polizeirevier Kontakt aufnehmen. Als Weiterentwicklung derartiger Straßenmelder wurde 1956 eine Notrufeinrichtung zur kostenlosen Alarmierung der Polizei durch die Bevölkerung vorgestellt. Dieser „eiserne Schutzmann“war bundesweit verbreitet. 1955 erst begann man mit dem Aufstellen von Notrufsäulen an Autobahnen.