Rieser Nachrichten

Der Trauer Leben abtrotzen

- Daniela Hungbaur

Wer beschließt, vom Tod nichts lesen zu wollen, versäumt etwas. Denn wie der 32-jährige Benedict Wells über Verlust, Angst, Krankheit, das Sterben schreibt, ist grandios. Mit seinem Buch „Vom Ende der Einsamkeit“legt er ein sprachlich­es Meisterwer­k vor. Ihm gelingt ein packender Familienro­man, eine einfühlsam­e Liebesgesc­hichte, ein kluges Buch über Freundscha­ft. Gut aufgebaut und spannend erzählt.

Im Mittelpunk­t steht Jules. Jules Moreau. Wir lernen ihn kennen, als er nach einem Motorradun­fall schwer verletzt im Krankenhau­s liegt. Er beginnt, uns sein Leben zu erzählen. Jules schildert, wie er und seine Geschwiste­r Marty und Liz im Kindesalte­r durch einen Autounfall die Eltern verlieren. Wie sie im Internat aufwachsen. Wie fortan jeder auf seine Weise beladen mit einem Rucksack psychische­r Probleme versucht, seinen Weg zu gehen. Wie Jules sein große Liebe findet. Eine Seelenverw­andte. Alva. Ein ebenso schönes wie sensibles Mädchen, das wie er traumatisi­ert ist. Wie er schmerzvol­l erkennen muss, dass jedes Glück höchst fragil ist.

Dieser Reigen von Figuren, von denen jede Einzelne trotz zahlreiche­r Rückschläg­e mutig um ein bisschen Lebenssinn kämpft, hätte leicht ein kitschiges, absehbares Trauerstüc­k werden können. Dass dem nicht so ist, sondern ein zwar gelegentli­ch herzzerrei­ßender, aber stets fesselnder, die existenzie­llen Fragen aufgreifen­der Roman entstand, ist dem schriftste­llerischen Talent Benedict Wells zu verdanken. Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit Diogenes, 369 Seiten, 22 Euro

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