Der Trauer Leben abtrotzen
Wer beschließt, vom Tod nichts lesen zu wollen, versäumt etwas. Denn wie der 32-jährige Benedict Wells über Verlust, Angst, Krankheit, das Sterben schreibt, ist grandios. Mit seinem Buch „Vom Ende der Einsamkeit“legt er ein sprachliches Meisterwerk vor. Ihm gelingt ein packender Familienroman, eine einfühlsame Liebesgeschichte, ein kluges Buch über Freundschaft. Gut aufgebaut und spannend erzählt.
Im Mittelpunkt steht Jules. Jules Moreau. Wir lernen ihn kennen, als er nach einem Motorradunfall schwer verletzt im Krankenhaus liegt. Er beginnt, uns sein Leben zu erzählen. Jules schildert, wie er und seine Geschwister Marty und Liz im Kindesalter durch einen Autounfall die Eltern verlieren. Wie sie im Internat aufwachsen. Wie fortan jeder auf seine Weise beladen mit einem Rucksack psychischer Probleme versucht, seinen Weg zu gehen. Wie Jules sein große Liebe findet. Eine Seelenverwandte. Alva. Ein ebenso schönes wie sensibles Mädchen, das wie er traumatisiert ist. Wie er schmerzvoll erkennen muss, dass jedes Glück höchst fragil ist.
Dieser Reigen von Figuren, von denen jede Einzelne trotz zahlreicher Rückschläge mutig um ein bisschen Lebenssinn kämpft, hätte leicht ein kitschiges, absehbares Trauerstück werden können. Dass dem nicht so ist, sondern ein zwar gelegentlich herzzerreißender, aber stets fesselnder, die existenziellen Fragen aufgreifender Roman entstand, ist dem schriftstellerischen Talent Benedict Wells zu verdanken. Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit Diogenes, 369 Seiten, 22 Euro