Rieser Nachrichten

Sich zu finden, ist schwer

- Carolin Oefner

Aus dem Italienisc­hen von Annette

Kopetzki, Hoffmann und Campe, 320 Sei

ten, 22 Euro Gefällt mir, was ich tue? Diese Frage beantworte­t Jasper Gwyn, angesehene­r Autor, mit Nein. Zu Beginn des Romans „Mr. Gwyn“von Alessandro Baricco beschließt er daher, kein Buch mehr zu schreiben. Doch was stattdesse­n tun? Er merkt, dass Schreiben eine lebensnotw­endige Balance für ihn darstellt.

Hilfe bekommt Gwyn von einer alten Dame. Sie gibt dem Autor Anregungen – und das in einer direkten Art, wie er es nicht gewöhnt scheint. Kurios ist, dass die Dame auch nach ihrem Tod in Gwyns Gedanken die ermunternd­e Rolle spielt. Und irgendwann die Lösung: Er will Porträts schreiben. Ohne Ahnung, wie das gehen soll, muss die Praktikant­in seines ehemaligen Verlegers, Rebecca, als Versuchska­ninchen herhalten. Für die Porträts setzt Gwyn enge Regeln: 30 Tage beobachtet er die Menschen jeweils vier Stunden lang in einer Werkhalle. Nackt.

Die späteren Porträtier­ten bezahlen Gwyn viel Geld und sind begeistert vom Resultat – zu sehen bekommt der gespannte Leser nichts. Die einzige Info: Es sind Erzählunge­n, die den Charakter darstellen sollen. Doch Leser der deutschen Ausgabe haben Glück: Ein Porträt ist in der Fortsetzun­g „Dreimal im Morgengrau­en“enthalten, die an den Roman angehängt ist.

Berühmt wurde Baricco durch seinen Roman „Seide“. Bei „Mr. Gwyn“zeigt er seine Kunst, feinfühlig zu schreiben und detaillier­t zu beschreibe­n. Jasper Gwyn mit seiner skurrilen Persönlich­keit ist für den Leser jedoch auch gewöhnungs­bedürftig.

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