Sich zu finden, ist schwer
Aus dem Italienischen von Annette
Kopetzki, Hoffmann und Campe, 320 Sei
ten, 22 Euro Gefällt mir, was ich tue? Diese Frage beantwortet Jasper Gwyn, angesehener Autor, mit Nein. Zu Beginn des Romans „Mr. Gwyn“von Alessandro Baricco beschließt er daher, kein Buch mehr zu schreiben. Doch was stattdessen tun? Er merkt, dass Schreiben eine lebensnotwendige Balance für ihn darstellt.
Hilfe bekommt Gwyn von einer alten Dame. Sie gibt dem Autor Anregungen – und das in einer direkten Art, wie er es nicht gewöhnt scheint. Kurios ist, dass die Dame auch nach ihrem Tod in Gwyns Gedanken die ermunternde Rolle spielt. Und irgendwann die Lösung: Er will Porträts schreiben. Ohne Ahnung, wie das gehen soll, muss die Praktikantin seines ehemaligen Verlegers, Rebecca, als Versuchskaninchen herhalten. Für die Porträts setzt Gwyn enge Regeln: 30 Tage beobachtet er die Menschen jeweils vier Stunden lang in einer Werkhalle. Nackt.
Die späteren Porträtierten bezahlen Gwyn viel Geld und sind begeistert vom Resultat – zu sehen bekommt der gespannte Leser nichts. Die einzige Info: Es sind Erzählungen, die den Charakter darstellen sollen. Doch Leser der deutschen Ausgabe haben Glück: Ein Porträt ist in der Fortsetzung „Dreimal im Morgengrauen“enthalten, die an den Roman angehängt ist.
Berühmt wurde Baricco durch seinen Roman „Seide“. Bei „Mr. Gwyn“zeigt er seine Kunst, feinfühlig zu schreiben und detailliert zu beschreiben. Jasper Gwyn mit seiner skurrilen Persönlichkeit ist für den Leser jedoch auch gewöhnungsbedürftig.